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Bundestagsdrucksachen und Plenarprotokolle zur Organspende


Deutscher Bundestag - Drucksache 13/2926 vom 07.11.1995

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Gesetzentwurf

der Abgeordneten Monika Knoche, Gerald Häfner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes über die Spende, die Entnahme und die Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz - TPG)

A. Problem

Seit über zwei Jahrzehnten werden in Deutschland in großem Umfang Organtransplantationen bei Menschen ohne eine allgemeine verbindliche gesetzliche Regelung durchgeführt. Deutschland gehört zu den Ländern mit der höchsten Transplantationsfrequenz. Die Schere zwischen Organbedarf und Zahl geeigneter Organe wird in Zukunft weiter auseinanderfallen. Andere defensive neue Behandlungsformen laufen bei der einseitigen Bevorzugung der Organverpflanzung Gefahr, zum Schaden schwer organkranker Menschen ins Abseits zu geraten. Aus gesundheitlicher Sicht widerspricht das Interesse an einer größtmöglichen Anzahl von Transplantaten der Aufgabe, den Kreis potentiell für die Entnahme lebenswichtiger Organe geeigneter Patienten und Patientinnen so gering wie möglich zu halten.

Die Entwicklungen in der Intensiv- und Transplantationsmedizin eröffnen Handlungsmöglichkeiten von existentieller Bedeutung. Es geht für Organspendende wie für Organempfangende buchstäblich um "Leben und Tod". Mit dem sog. Hirntodkonzept, nämlich der Gleichsetzung "des gesamten Hirnorganausfalls" mit dem Tod des Menschen, wurde bislang erfolgreich ein Bild gezeichnet, das den Menschen auf seine Hirnorganfunktionen reduziert. Auf diese zentrale Annahme stützte sich bislang die Explantationspraxis.

Die Expertenanhörung des Deutschen Bundestages am 28. Juni 1995 zur Bewertung des Explantationskriteriums "Hirntod" hat demgegenüber unmißverständlich klargestellt, daß das hirnorganhierarchische Todeskonzept widerlegt ist. Eine gesetzliche Regelung, die das Hirntodkonzept als einen "neuen Tod" anerkennt, würde zudem kulturelle und religiöse Traditionen verletzen. Sie würde darüber hinaus dem emotionalen und lebensweltlichen Erfahrungshintergrund breiter Bevölkerungskreise widersprechen.

B. Lösung

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Eine präzise Bezifferung der mit der Durchführung des Gesetzes verbundenen Kosten ist nicht möglich.

Entwurf eines Gesetzes über die Spende, die Entnahme und die Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz - TPG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Gesetz über die Spende, die Entnahme und die Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz - TPG)

Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt die Spende, die Entnahme und die Übertragung von menschlichen Organen bei der Lebendspende, bei Lebenden im Falle des irreversiblen Ausfalls aller meßbaren Hirnfunktionen und von Leichenteilen nach irreversiblem Herz- Kreislaufstillstand zum Zwecke der Übertragung auf andere Menschen.

(2) Die Entnahme und die Übertragung von Organen darf nur mit dem Ziel der Lebensverlängerung oder der nachhaltigen Verbesserung des Gesundheitszustandes eines anderen Menschen erfolgen.

(3) Organe im Sinne dieses Gesetzes sind Organe, Organteile und Gewebe, die natürliche Bestandteile des menschlichen Körpers sind.

(4) Auf die Spende und die Entnahme von Blut, Knochenmark, Ei- und Samenzellen findet dieses Gesetz keine Anwendung.

§ 2 Unzulässige Transplantate

Die Entnahme und die Übertragung des Gehirns, von Gehirnteilen, Hirngewebe, Organen von Föten und Embryonen und inneren Geschlechtsorganen sind unzulässig.

§ 3 Aufklärungsanspruch

(1) Interessierte Personen haben einen Anspruch auf umfassende Aufklärung über die Bedeutung einer Einwilligung in die Organentnahme. Bei Bedarf hat die Aufklärung in der Muttersprache zu erfolgen.

(2) Die Aufklärung erfolgt über alle Fragen, die dem Regelungsbereich dieses Gesetzes unterliegen, insbesondere im Hinblick auf die Chancen und Risiken, die nach dem Stand von Wissenschaft und Forschung für die Organspender oder die Organspenderinnen mit einer Transplantation verbunden sind.

(3) Für die Aufklärung sind die nach Landesrecht für den Gesundheitsdienst auf örtlicher Ebene zuständigen Behörden (Gesundheitsämter) verantwortlich.

§ 4 Einwilligung in eine Organentnahme

(1) Wer in eine Organentnahme nach diesem Gesetz einwilligt, muß einsichtsfähig sein und das 16. Lebensjahr vollendet haben. Die Einwilligung kann nur höchstpersönlich erklärt werden.

(2) Wer in eine Lebendspende nach § 13 einwilligt, muß das 18. Lebensjahr vollendet haben. Eine Lebendspende vor Vollendung des 18. Lebensjahres ist unzulässig. Im übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Bei Kindern und Jugendlichen vor Vollendung des 16. Lebensjahres sind die Eltern berechtigt, in eine Organentnahme einzuwilligen, sofern nicht der erkennbare oder ausdrückliche Wille des Kindes oder des Jugendlichen entgegensteht. Sind beide Elternteile sorgeberechtigt, kann eine Einwilligung nur gemeinsam erklärt werden.

§ 5 Organspendeausweis

(1) Die Einwilligung in eine Organspende nach §§ 15, 16 und 18 muß schriftlich auf einem amtlichen Organspendeausweis erklärt und eigenhändig unterschrieben werden. Der Organspendeausweis muß die entscheidungserheblichen medizinischen und rechtlichen Informationen in verständlicher Form objektiv darstellen.

(2) Wird die Einwilligung in eine Organentnahme nach § 15 erklärt, ist im Organspendeausweis die ausdrückliche Einwilligung in eine intensivmedizinische Behandlung zum Zwecke der Explantation zu beurkunden.

(3) Beschränkt sich die Einwilligungserklärung auf die Spende eines bestimmten Organs oder bestimmter Organe, sind Art und Umfang der zur Spende vorgesehenen Organe in den Organspendeausweis einzutragen. Die Eintragung soll eigenhändig erfolgen.

(4) Für die Ausstellung des Organspendeausweises sind die nach § 3 Abs. 2 zuständigen Behörden verantwortlich.

(5) Das Bundesministerium für Gesundheit erläßt durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates ein Muster für einen Organspendeausweis. Die Verwaltungsvorschrift ist im Bundesanzeiger bekanntzugeben.

§ 6 Widerruf der Einwilligung

Die Einwilligung in die Organentnahme kann jederzeit mündlich oder schriftlich widerrufen werden. Der Widerruf der Einwilligung kann auch dadurch erfolgen, daß der Organspendeausweis vernichtet wird oder an ihm Veränderungen vorgenommen werden, die den Willen zum Widerruf dokumentieren. Im Zweifel wird der Widerruf vermutet.

§ 7 Ausschluß eines rechtfertigenden Notstandes

Das Erfordernis der Einwilligung in die Entnahme entfällt nicht durch eine Berufung auf den Tatbestand des Rechtfertigenden Notstandes nach § 34 des Strafgesetzbuches.

§ 8 Entnahmeprotokoll

Über jede Entnahme von Organen ist von dem explantierenden Arzt oder der explantierenden Ärztin ein gesondertes Protokoll anzufertigen, in dem der Umfang sowie der Verlauf der Entnahme dokumentiert wird.

§ 9 Information der Angehörigen

(1) Ärzte und Ärztinnen, die eine Explantation vorbereiten, haben unverzüglich einen oder mehrere nächste Angehörige in der Reihenfolge ihrer Aufzählung nach Absatz 3 von dieser Absicht zu informieren und auf Verlangen das Vorliegen eines gültigen Organspendeausweises nachzuweisen. Dieses Recht besteht nicht, wenn der Spender oder die Spenderin diesen Informationsanspruch ausgeschlossen hat. Satz 1 gilt nicht für Organspenden nach § 13.

(2) Das Informationsrecht der Angehörigen umfaßt insbesondere die Einsicht in die Krankenakten und die Auskunft über Umfang und Verlauf der Organentnahme. Ihnen ist Gelegenheit zur Einsichtnahme in die Protokolle zu gewähren. Sie können eine sachverständige Person ihres Vertrauens hinzuziehen.

(3) Als nächste Angehörige im Sinne dieses Gesetzes gelten der Ehegatte oder die Ehegattin oder der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin, die Kinder, die Eltern und die Geschwister.

§ 10 Besondere ärztliche Sorgfaltspflicht im Umgang mit Organspendenden

(1) Die Organentnahme und alle mit ihr zusammenhängenden Maßnahmen müssen unter Wahrung der Würde des Organspenders oder der Organspenderin und unter Berücksichtigung der Empfindungen der Angehörigen in einer der gebotenen ärztlichen Sorgfaltspflicht entsprechenden Weise durchgeführt werden.

(2) Nach der Organentnahme ist der Leichnam in würdigem Zustand zur Bestattung zu übergeben. Zuvor ist den nächsten Angehörigen Gelegenheit zu geben, den Leichnam zu sehen.

§ 11 Ort der Organübertragung

Die Übertragung von vermittlungspflichtigen Organen nach § 20 hat in Krankenhäusern oder Einrichtungen an Krankenhäusern zu erfolgen, die als Transplantationszentrum nach §§ 107, 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften zugelassen sind.

§ 12 Freiwillige Mitwirkung an der Organtransplantation

Niemand ist verpflichtet, an einer Organtransplantation mitzuwirken.

Zweiter Abschnitt Besondere Vorschriften

§ 13 Voraussetzungen der Organentnahme bei Lebendspenden

Die Entnahme von Organen bei Lebendspende ist zulässig, wenn

  1. nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 und 2 eine wirksame Einwilligung vorliegt und über die Art des Eingriffs, den Umfang, die Nachteile und alle unmittelbaren und mittelbaren Folgen der Organentnahme und ihre Risiken sowie über alle Umstände, denen eine Bedeutung für die Organentnahme zukommt, zuvor ärztlich aufgeklärt wurde,
  2. der Spender oder die Spenderin nach ärztlicher Erkenntnis geeignet ist und nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet und über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich erheblich beeinträchtigt wird und
  3. die Übertragung auf Verwandte ersten und zweiten Grades vorgenommen wird, sofern nach Abwägung aller Umstände keine gleichwertige Alternative in Betracht kommt und eine nachhaltige Verbesserung des Gesundheitszustandes des Organempfängers oder der Organempfängerin zu erwarten ist.

§ 14 Ärztliche Aufklärungspflicht

(1) Die Aufklärung nach § 13 Nr. 1 hat durch den explantierenden Arzt oder die explantierende Ärztin unter Hinzuziehung eines weiteren Arztes oder einer weiteren Ärztin zu erfolgen.

(2) Der Inhalt der ärztlichen Aufklärung nach Absatz 1 sowie die Einwilligungserklärung sind schriftlich niederzulegen und von allen Beteiligten eigenhändig zu unterschreiben.

§ 15 Voraussetzungen der Organentnahme nach irreversiblem Ausfall der Hirnfunktionen

(1) Die Entnahme von Organen Lebender nach irreversiblem Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen ist zulässig, wenn durch den vorliegenden Organspendeausweis die Einwilligung dokumentiert ist und die ärztlichen Feststellungen nach § 16 getroffen sind.

(2) Vor der Organentnahme sind die Angehörigen nach § 9 zu informieren.

§ 16 Ärztliche Feststellung des irreversiblen Ausfalls aller meßbaren Hirnfunktionen

(1) Wer als Arzt oder Ärztin menschliche Organe nach irreversiblem Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen entnehmen will, muß sich zuvor davon überzeugt haben, daß sich der oder die Betreffende im Zustand des vollständigen und irreversiblen Ausfalls aller meßbaren Hirnfunktionen befindet.

(2) Der vollständige und irreversible Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen bei künstlich aufrechterhaltener Atmungs- und Herz-Kreislauffunktion liegt vor bei einer akuten schweren primären oder sekundären Hirnschädigung. Es muß zweifelsfrei feststehen, daß jede Intoxikation, insbesondere durch muskelrelaxierende oder das Zentralnervensystem dämpfende Substanzen, jede neuromuskuläre Blockade, eine Unterkühlung (Hypothermie), ein Kreislaufschock oder ein endokrines oder metabolisches Koma als mögliche Ursache oder wesentliche Mitursache des Ausfalls der Hirnfunktion im Untersuchungszeitraum auszuschließen ist.

(3) Ferner sind bei primärer Hirnschädigung bei Erwachsenen und Jugendlichen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, während eines Zeitraums von mindestens zwölf Stunden, bei Kleinkindern, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, während eines Zeitraums von 24 Stunden und bei Neugeborenen innerhalb von 72 Stunden nach Vollendung der Geburt die folgenden klinischen Befunde nachzuweisen:

  1. Tiefe Bewußtlosigkeit genau bekannter Ursache;
  2. Lichtstarre bei wenigstens mittel-, meistens maximal weiten Pupillen, wobei keine Wirkung eines Mydriatikums vorliegen darf;
  3. Fehlen des okulo-zephalen Reflexes (Fehlen von Bulbusbewegungen bei rascher passiver Kopfrotation);
  4. Fehlen des Kornealreflexes;
  5. Fehlen jeglicher Reaktion auf Schmerzreize im Trigeminusbereich (starker Druck auf die Austrittsstelle des zweiten Astes, unterhalb des Orbita-Unterrandes);
  6. Fehlen des Hustenreflexes (beim Absaugen in den Bronchien) und des Pharyngealreflexes (beim Berühren der Pharynxhinterwand);
  7. Fehlen der Spontanatmung, die durch den Apnoe-Test festzustellen ist;
  8. Null-Linien-EEG oder Erlöschen der evozierten Potentiale oder zerebraler Zirkulationsstillstand, wobei die EEG- Untersuchung zweimal mit einer Unterbrechung von sechs Stunden durchgeführt werden und während einer kontinuierlichen Registrierung über jeweils 30 Minuten eine hirnelektrische Stille (Null-Linien-EEG) ergeben muß.

Im Falle einer sekundären Hirnschädigung sind die vorstehenden Befunde innerhalb eines Zeitraumes von 72 Stunden täglich festzustellen.

(3) Eine Kontrast-Angiographie der vier Hirnarterien sowie eine Radio-Isotopen-Angiographie dürfen nicht vorgenommen werden.

§ 17 Ärztliches Untersuchungsprotokoll

(1) Die Untersuchung und die Erhebung der Befunde nach § 16 ist von Fachärzten für Neurologie vorzunehmen. Diese dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe beteiligt sein oder Weisungen eines Arztes oder einer Ärztin unterstehen, die an diesen Maßnahmen beteiligt sind.

(2) Das Vorliegen aller nach § 16 zu erhebenden Befunde muß unabhängig voneinander von zwei Ärzten oder Ärztinnen nach Maßgabe des Absatzes 1 übereinstimmend festgestellt und in jeweils einem Protokoll dokumentiert und eigenhändig unterschrieben werden. Liegen keine übereinstimmenden Ergebnisse nach § 16 vor, ist eine Explantation unzulässig.

(3) Form und Gestaltung des Protokolls legt das für das Gesundheitswesen zuständige Bundesministerium fest.

§ 18 Voraussetzungen der Organentnahme nach irreversiblem Herz-Kreislaufstillstand

(1) Die Entnahme von Organen bei irreversiblem Herz- Kreislaufstillstand ist zulässig, wenn durch den vorliegenden Organspendeausweis die Einwilligung dokumentiert ist und die ärztlichen Feststellungen nach § 19 getroffen sind.

(2) Vor der Organentnahme sind die Angehörigen nach § 9 zu informieren.

§ 19 Ärztliche Feststellung des irreversiblen Herz-Kreislaufstillstandes; Protokoll

(1) Wer als Arzt oder Ärztin Organe nach Herz- Kreislaufstillstand entnehmen will, muß sich zuvor davon überzeugt haben, daß der Herz-Kreislaufstillstand irreversibel eingetreten ist.

(2) Der irreversible Herz-Kreislaufstillstand liegt vor, wenn sichere Todeszeichen wie Todesflecken oder ähnliche Symptome vorliegen.

(3) Die Untersuchung und die Erhebung der Befunde sind von zwei Ärzten oder Ärztinnen vorzunehmen. Im übrigen gilt § 17 entsprechend.

Dritter Abschnitt Organvermittlung; Transplantationszentren

§ 20 Vermittlungspflichtige Organe

Vermittlungspflichtige Organe im Sinne dieses Gesetzes sind Herz, Niere, Leber, Lunge, Darm und Bauchspeicheldrüse oder Teile dieser Organe.

§ 21 Koordinierungsstelle

(1) Die Spitzenverbände der Krankenkassen, die Ärztekammern und die Deutsche Krankenhausgesellschaft errichten gemeinsam durch Vertrag mit einer geeigneten Einrichtung eine Koordinierungsstelle zur Organisation der Entnahme, Vermittlung und Übertragung. Die Koordinierungsstelle muß auf Grund ihrer Trägerschaft, der Zahl und Qualifikation ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ihrer betrieblichen Organisation sowie ihrer sachlichen Ausstattung die Gewähr dafür bieten, daß sie ihre Aufgaben in Zusammenarbeit mit den Transplantationszentren nach den Vorschriften dieses Gesetzes erfüllt. Der Vertrag bedarf der Genehmigung durch das Bundesministerium für Gesundheit und ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen.

(2) Der Vertrag nach Absatz 1 regelt insbesondere

  1. die Durchführung der im Zusammenhang mit einer Organentnahme und ihrer Vorbereitung erforderlichen Maßnahmen;
  2. die Anforderungen an die erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Organentnahme, insbesondere die Vorbereitung der Entnahme sowie die Entnahme, Aufbereitung, Aufbewahrung und Beförderung der Organe;
  3. die Zusammenarbeit mit der Vermittlungsstelle (§ 22) und den Transplantationszentren;
  4. die Unterstützung der Transplantationszentren bei der Einführung und Durchführung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Rahmen ihrer Tätigkeiten;
  5. eine regelmäßige Berichterstattung an die Vertragspartner;
  6. den Ersatz angemessener Aufwendungen der Koordinierungsstelle für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz einschließlich der Abgeltung von Leistungen, die Transplantationszentren und andere Krankenhäuser im Zusammenhang mit der Organentnahme erbringen. Die vertragschließenden Parteien überwachen die Einhaltung der Vertragsbestimmungen und legen dem Bundesministerium für Gesundheit einen Jahresbericht vor.

(3) Die Transplantationszentren und andere Krankenhäuser sind verpflichtet, mit der Koordinierungsstelle zusammenzuarbeiten.

(4) Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 nicht innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zustande, so bestimmt das für das Gesundheitswesen zuständige Bundesministerium durch Rechtsverordnung die Regelungen nach den Absätzen 1 und 2.

§ 22 Vermittlungsstelle

(1) Die Spitzenverbände der Krankenkassen, die Ärztekammern und die Deutsche Krankenhausgesellschaft errichten durch Vertrag mit einer geeigneten Einrichtung eine Stelle zur Vermittlung der vermittlungspflichtigen Organe (Vermittlungsstelle). Die Vermittlungsstelle muß auf Grund ihrer Trägerschaft, der Zahl und Qualifikation ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ihrer betrieblichen Organisation sowie ihrer sachlichen Ausstattung die Gewähr dafür bieten, daß die Organvermittlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes erfolgt. Der Vertrag bedarf der Genehmigung durch das Bundesministerium für Gesundheit und ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen.

(2) Die vermittlungspflichtigen Organe sind von der Vermittlungsstelle ausschließlich nach Regeln, die dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit an geeignete Patienten oder Patientinnen zu vermitteln. Die Vermittlungsentscheidung ist

für jedes Organ unter Angabe der Gründe zu dokumentieren und unter Verwendung der Kennummer (§ 24) der Koordinierungsstelle und dem jeweiligen Transplantationszentrum zu übermitteln.

(3) Die Wartelisten der Transplantationszentren sind als eine einheitliche Warteliste zu behandeln. Die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten der in Betracht kommenden Organempfänger und Organempfängerinnen findet ausschließlich in anonymisierter Form unter der vom Transplantationszentrum zugeteilten Referenznummer statt.

(4) Der Vertrag nach Absatz 1 regelt insbesondere

  1. die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten der von den Transplantationszentren gemeldeten Patienten oder Patientinnen,
  2. die Erfassung der von der Koordinierungsstelle gemeldeten Organe,
  3. die Vermittlung von Organen gemäß Absatz 2,
  4. die Vermittlung von Organen im Rahmen eines internationalen Organaustausches mit anderen Vermittlungsstellen unter den Voraussetzungen des Absatzes 2,
  5. die Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch mit der Koordinierungsstelle und den Transplantationszentren,
  6. eine regelmäßige Berichterstattung an die Vertragspartner,
  7. den Ersatz angemessener Aufwendungen der Vermittlungsstelle für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz,
  8. die Überprüfung von Vermittlungsentscheidungen durch eine von den Vertragspartnern bestimmte Prüfungskommission und
  9. eine vertragliche Kündigungsmöglichkeit bei Vertragsverletzungen der Vermittlungsstelle.

Die vertragschließenden Parteien überwachen die Einhaltung der Vertragsbestimmungen und legen dem Bundesministerium für Gesundheit einen Jahresbericht vor.

(5) Der Vertrag nach Absatz 1 kann auch mit einer geeigneten Einrichtung geschlossen werden, die ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes hat und die Organe ausschließlich im Rahmen eines internationalen Organaustausches vermittelt. Dabei ist sicherzustellen, daß die Vorschriften der §§ 24, 25 und 26 sowie die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes Anwendung finden. Ferner ist sicherzustellen, daß der Bundesdatenschutzbeauftragte berechtigt ist, sich von der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Einrichtung zu überzeugen.

(6) Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 nicht innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zustande, bestimmt das für das Gesundheitswesen zuständige Bundesministerium durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Regelungen zur Organvermittlung nach den Absätzen 1 und 4.

§ 23 Transplantationszentren

Die Transplantationszentren sind verpflichtet,

  1. die zum Organempfang gemeldeten Patienten und Patientinnen in einer Warteliste zu führen, welche die zur Organübertragung erforderlichen medizinischen Daten enthält,
  2. bei der Aufnahme in die Warteliste jedem Patienten und jeder Patientin in anonymisierter Form eine Referenznummer zuzuweisen, die eine Kennzahl für das Transplantationszentrum sowie in anonymisierter Form das Geburtsjahr und den Geburtsmonat angibt,
  3. jede Organübertragung so zu dokumentieren, daß eine lückenlose Rückverfolgung der Organe vom Empfangenden zum Spendenden ermöglicht wird; bei der Übertragung von vermittlungspflichtigen Organen ist die Kennummer anzugeben, um eine Rückverfolgung durch die Koordinierungsstelle zu ermöglichen,
  4. nach Maßgabe der Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch Maßnahmen zur Qualitätssicherung, die auch einen Vergleich mit anderen Transplantationszentren ermöglichen, im Rahmen ihrer Tätigkeit vorzunehmen,
  5. Maßnahmen für eine vor und nach einer Organübertragung erforderliche psychische Betreuung der Patienten und Patientinnen im Krankenhaus sicherzustellen.

Vierter Abschnitt Meldungen, Datenschutz, Fristen

§ 24 Meldungen, Begleitpapiere

(1) Die Koordinierungsstelle verschlüsselt die ihr auf Grund ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen personenbezogenen Daten des Spenders oder der Spenderin und bildet eine Kennummer, die ausschließlich der Koordinierungsstelle einen Rückschluß auf die Person des Spenders oder der Spenderin ermöglicht. Die Kennummer ist in die Begleitpapiere für das entnommene Organ aufzunehmen. Die Begleitpapiere enthalten außerdem alle für die Organübertragung erforderlichen medizinischen Angaben. Die Koordinierungsstelle meldet das Organ, die Kennummer und die für die Organvermittlung erforderlichen medizinischen Angaben an die Vermittlungsstelle und übermittelt nach deren Entscheidung die Begleitpapiere an das Transplantationszentrum, in dem das Organ auf den Empfänger oder die Empfängerin übertragen werden soll.

(2) Fordert das Transplantationszentrum weitere Informationen über diejenige Person an, der Organe entnommen worden sind, so darf die Koordinationsstelle die Angaben aus den Begleitpapieren mit den personenbezogenen Daten des Spenders oder der Spenderin nur zusammenführen, wenn für den Organempfänger oder die Organempfängerin eine erhebliche, nicht anders abwendbare gesundheitliche Gefährdung zu befürchten ist.

(3) Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin hat Patienten und Patientinnen, bei denen die Übertragung vermittlungspflichtiger Organe medizinisch angezeigt ist, mit deren Einwilligung unverzüglich an das Transplantationszentrum zu melden, in dem die Organübertragung vorgenommen werden soll. Der Patient oder die Patientin ist vor der Einwilligung darüber zu unterrichten, welche persönlichen Daten in welcher Form an welche Stellen übermittelt werden. Die Transplantationszentren melden die in die Warteliste aufgenommenen Patienten und Patientinnen mit den für die Organvermittlung erforderlichen medizinischen Angaben an die Vermittlungsstelle. Diese Meldung erfolgt ausschließlich in anonymisierter Form unter der von dem Transplantationszentrum zugeteilten Referenznummer.

§ 25 Datenschutz

(1) Ist die Koordinierungsstelle oder die Vermittlungsstelle eine nichtöffentliche Stelle im Geltungsbereich dieses Gesetzes, gilt § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes mit der Maßgabe, daß die Aufsichtsbehörde die Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz überwacht, auch wenn ihr hinreichende Anhaltspunkte für eine Verletzung dieser Vorschriften nicht vorliegen.

(2) Die an der Organentnahme, -vermittlung oder -übertragung beteiligten Personen dürfen personenbezogene Daten der Personen, denen Organe entnommen worden sind, und der Organempfänger oder -empfängerinnen nicht offenbaren. Dies gilt auch für personenbezogene Daten von Personen, die über die beabsichtigte Organentnahme nach § 9 unterrichtet worden sind. Die im Rahmen dieses Gesetzes erhobenen personenbezogenen Daten dürfen für andere als die in § 1 Abs. 1 genannten Zwecke nicht verarbeitet oder genutzt werden.

§ 26 Aufbewahrungs- und Löschungsfristen

Die Aufzeichnungen zur Feststellung des irreversiblen Ausfalls aller meßbaren Hirnfunktionen, zur Feststellung des irreversiblen Herz-Kreislaufstillstandes, zur Aufklärung und zur Prüfung nach § 15 sowie die Dokumentationen der Organentnahme, -vermittlung und -übertragung sind mindestens 15 Jahre aufzubewahren. Dies gilt auch für die Aufbewahrung von Mehrausfertigungen, Ablichtungen oder Abschriften der Meldung und der Begleitpapiere nach § 24 Abs. 1. Die in Aufzeichnungen und Dokumentationen nach den Sätzen 1 und 2 enthaltenen personenbezogenen Daten sind spätestens bis zum Ablauf eines weiteren Jahres zu vernichten; soweit darin enthaltene personenbezogene Daten in Dateien gespeichert sind, sind diese innerhalb dieser Frist zu löschen.

Fünfter Abschnitt Verbot des Handels mit Organen

§ 27 Verbot des Organhandels

(1) Es ist verboten, mit Organen, die zum Zwecke einer Transplantation nach diesem Gesetz entnommen worden sind, Handel zu treiben.

(2) Kein Handeltreiben im Sinne des Absatzes 1 ist die Gewährung oder Annahme eines angemessenen Entgelts für die zur Erreichung des Ziels der Heilbehandlung gebotenen Maßnahmen, insbesondere für die Konservierung, die weitere Aufbereitung einschließlich der Maßnahmen zum Infektionsschutz, die Aufbewahrung und die Beförderung der Organe. Absatz 1 gilt nicht für diejenigen, deren Organe, Organteile oder Gewebe Gegenstand verbotenen Handeltreibens waren.

Sechster Abschnitt Straf- und Bußgeldvorschriften

§ 28 Organhandel

(1) Wer entgegen § 27 Abs. 1 Organhandel betreibt oder entgegen § 27 Abs. 2 Satz 2 ein Organ entnimmt oder überträgt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer zum Zwecke des Handeltreibens ein Organ einführt oder ausführt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird auch bestraft, wer zum Zwecke des Handeltreibens Transplantationen vermittelt oder durch Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit fördert.

(3) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer in den Fällen der Absätze 1 und 2 gewerbsmäßig handelt.

(4) Der Versuch ist strafbar.

§ 29 Illegale Organentnahme

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 15 oder § 18 Organe entnimmt oder überträgt, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften mit höherer Strafe bedroht ist. Wer entgegen § 13 ein Organ entnimmt oder überträgt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer nach § 2 von der Entnahme ausgeschlossene Organe, Organteile oder Gewebe entnimmt oder auf einen anderen Menschen überträgt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer die Tat fahrlässig begangen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 30 Weitere Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 24 Abs. 2 Angaben zusammenführt oder entgegen § 25 Abs. 2 personenbezogene Daten offenbart, verarbeitet oder nutzt.

(2) Handelt der Täter oder die Täterin im Falle des Absatzes 1 gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

§ 31 Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

  1. entgegen §§ 11, 23 ein vermittlungspflichtiges Organ außerhalb einer zugelassenen Einrichtung überträgt,
  2. eine Einrichtung zur Übertragung von Organen ohne Zulassung nach § 11 betreibt oder betreiben läßt,
  3. entgegen § 17 Abs. 1 und 2, § 19 Abs. 3 das Vorliegen aller nach §§ 16, 19 Abs. 1 und 2 zu erhebenden Befunde nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Weise dokumentiert,
  4. entgegen § 23 Nr. 3 die Organübertragung nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Weise dokumentiert oder
  5. entgegen § 26 eine dort genannte Unterlage nicht oder nicht mindestens 15 Jahre aufbewahrt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 mit einer Geldbuße bis zu 100 000 Deutsche Mark und in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 mit einer Geldbuße bis zu 10 000 Deutsche Mark geahndet werden.

Artikel 2 Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBl. I S. 945, 1160), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 7. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2835), wird wie folgt geändert:

§ 5 wird wie folgt geändert:

1. In Nummer 14 wird der Punkt durch ein Semikolon ersetzt;

2. nach Nummer 14 wird folgende Nummer 15 angefügt: "15. Organhandel und illegale Organentnahme (§§ 28, 29 des Transplantationsgesetzes), wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist."

Artikel 3 Übergangsregelung

Bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehende Regelungsgegenstände gelten weiter, bis sie nach diesem Gesetz durch Vertrag oder durch Rechtsverordnung ersetzt worden sind.

Artikel 4 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig treten außer Kraft:

  1. die Verordnung über die Durchführung von Organtransplantationen vom 4. Juli 1975 (BGBl. I S. 597), geändert durch Verordnung vom 5. August 1987 (BGBl. I S. 199),
  2. die Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Durchführung von Organtransplantationen vom 29. März 1977 (BGBl. I S. 141).

Bonn, den 7. November 1995 Monika Knoche, Gerald Häfner, Joseph Fischer (Frankfurt), Kerstin Müller (Köln) und Fraktion

Begründung Allgemeiner Teil

Einleitung

Die Bundesrepublik Deutschland zählt zu den wenigen Ländern, in denen bislang kein Transplantationsgesetz besteht, obwohl seit über zwei Jahrzehnten in großem Umfang Organtransplantationen vorgenommen werden. Die bisherigen Bemühungen, die Voraussetzungen und Bedingungen für die Entnahme und Übertragung von Organen rechtlich zu regeln, scheiterten an der Akzeptanz maßgeblicher gesellschaftlicher, wissenschaftlicher, kirchlicher und politischer Kreise. Über die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung sind sich alle politischen Kräfte einig. Gravierende Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der Ziele, die mit einem Transplantationsgesetz verfolgt werden sollen. Umstritten ist, wer einer Organentnahme zugestimmt haben muß. Kontrovers diskutiert wird weiter, ob es sich bei der Entnahme lebenswichtiger Organe um einen Eingriff bei einem lebenden oder toten Menschen handelt.

Die Organtransplantation ist ihrer Art nach ein Sonderfall der Medizin. Mit der Entnahme durchbluteter lebenswichtiger Organe bewegt sie sich auf der Grenzlinie zwischen Leben und Tod. Die Frage, ob der Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen bei aufrechterhaltenen Vitalfunktionen - der sog. Hirntod - als Tod des Menschen anzusehen ist, muß durch den Gesetzgeber beantwortet werden.

Eine Großzahl der Organverpflanzungen dient nicht mehr der Lebensrettung, sondern der Veränderung des Krankheitsbildes und -verlaufes. Eine Heilung der Krankheit ist durch Organverpflanzung vielfach nicht möglich. Für eher experimentelle Formen wie z. B. die gleichzeitige Übertragung mehrerer fremder Organe auf einen Menschen ist eine steigende Indikationstendenz zu verzeichnen. 20% aller Organverpflanzungen sind aufgrund von Abstoßungsreaktionen Retransplantationen. Lediglich Nierentransplantierte können meist dauerhaft größere Lebensqualität zurückgewinnen. Der Organbedarf resultiert vielfach aus der einseitigen Bevorzugung der Organtransplantation. Auch wenn konventionelle Ersatztherapien bestehen, wird häufig auf die Organtransplantation zurückgegriffen. Aufgrund des Wesens der Transplantationsmedizin wird sich der "Bedarf" an Organen jedoch nicht befriedigen lassen. Dies hat zu einem regelrechten Handel mit Organen geführt. Ein solcher Organhandel ist als ethisch verwerflicher Mißbrauch anzusehen. Ohne ethische Klärung der der Transplantationsmedizin innewohnenden Probleme liegt zwischen

ein kurzer Weg.

Auswege aus dem Humanorganmangel sucht die internationale Transplantationsforschung in der Verwertung gentechnisch humanisierter Tiere. Bereits heute sind für diese Transplantate wie auch für die Transplantation fötalen Hirngewebes auf den Menschen Verbotsregelungen notwendig. Im Unterschied zum Gesetzentwurf der Abgeordneten Seehofer, Dreßler, Lohmann, Thomae und weiterer Abgeordneter, der einen wachsenden Organbedarf anerkennt und eine erleichterte Organentnahme vorsieht, verfolgt der vorliegende Entwurf das Ziel, die Belange von Organempfängern/-empfängerinnen wie auch von Organspendenden wirksam zu schützen. Im Bereich der Transplantationsmedizin müssen rechtliche Regelungen geschaffen werden, die im Einklang mit den ethischen Prinzipien einer zivilen, offenen und humanen Gesellschaft stehen. An der allgemeinen Übereinkunft, den Begriff von Leben und Tod vor Nützlichkeitserwägungen und Zweckrationalitäten zu schützen, darf es keinen Zweifel geben.

Auswertung der Expertenanhörung des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1995 in Bonn

Eine zentrale Annahme, auf die sich die Explantationspraxis bislang gründete, ist die von der Transplantationsmedizin behauptete Gleichsetzung "des gesamten Hirnorganausfalls" mit dem Tod des Menschen. Seit der Expertenanhörung des Deutschen Bundestages am 28. Juni 1995 zur Bewertung des Explantationskriteriums "Hirntod" muß die pragmatische Hirntodgleichsetzungsoption als widerlegt angesehen werden. Das Hirntodkonzept, das den irreversiblen Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen als Tod des Menschen qualifiziert, ist erkennbar nicht auf einen Konsens innerhalb und zwischen allen natur- und humanwissenschaftlichen Disziplinen begründet. Ebensowenig entspricht es dem lebensweltlichen und emotionalen Erfahrungshintergrund breiter Bevölkerungskreise. Die willkürliche Setzung eines neuen Todesverständnisses wird vielfach als Verwerfung kultureller und religiöser Traditionen erlebt.

Experten haben darauf hingewiesen, daß der Hirntod zwar mit dem Tod des Menschen zu tun hat, aber nicht mit dem Tod gleichgesetzt werden darf. Überwiegend haben die Sachverständigen auf der Anhörung des Deutschen Bundestages im Juni 1995 das Hirntodkriterium als ein Stadium im irreversiblen in Gang gekommenen Sterbeprozeß bewertet. Angehörige und Pflegende bestätigten bei der Expertenanhörung die Unmöglichkeit, einen warmen durchbluteten atmenden Menschen mit potentieller Explantationsdiagnose als tot zu begreifen. Die Tatsache und die Schilderungen über das nahezu drei Monate weitergeführte Leben einer sog. hirntoten Schwangeren, die von einem gesunden Kind entbunden wurde, belegen, daß das hirnorganhierarchische Menschenbild, auf dem das Todeskonzept beruht, nicht aufrechtzuerhalten ist. Das Transplantationsgeschehen greift tief in den Berufsethos von Heil- und Pflegeberufstätigen ein; nämlich immer dann, wenn die menschliche emotionale Beziehung und Behandlung schwer hirnorgangeschädigter Patienten und Patientinnen durch die Explantationsindikation zu einem intensivmedizinischen Tun an einer "belebten Leiche" wechselt.

Die Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages hat ergeben, daß es keine Übereinkunft über das Wesen des Todes gibt. Es gibt insbesondere keine sonderethische Definitionsmacht der Medizin über das Wesen des Todes.

Ziele des Gesetzes

Mit dem vorliegenden Entwurf eines Transplantationsgesetzes wird erstmals in der etwa 20jährigen rechtspolitischen Diskussion über die Organtransplantation ein normatives Rahmenwerk präsentiert, das die mit der Transplantationsmedizin aufgeworfenen medizinethischen und verfassungsrechtlichen Fragen mit Blick auf alle Beteiligten zu lösen versucht. Es darf bei der gesetzlichen Regelung nicht um eine möglichst optimale "Organgewinnung" gehen. Vielmehr muß der Schutz vor unzulässiger Organentnahme und Aufklärung und Information über Organentnahme im Mittelpunkt des Gesetzes stehen.

Der Entwurf vermeidet konsequent, die individuelle Entscheidung für oder gegen eine Organspende zu beeinflussen. Er vermeidet jeden moralischen oder gesellschaftlichen Druck auf einzelne, sich wegen der Existenz der Transplantationsmedizin zu den möglichen Umständen des eigenen Sterbens verhalten zu müssen.

Die staatliche Verantwortung für die Gesundheit bzw. medizinische Betreuung derjenigen, die auf ein Fremdorgan angewiesen sind, beschreibt lediglich einen wichtigen Zielaspekt des Gesetzentwurfs. Er stellt das gesetzgeberische Instrumentarium zur Verfügung, um eine Organentnahme für die Betroffenen so sicher wie nur möglich zu machen. Die Entscheidung für oder gegen eine Organentnahme wird ausschließlich den Betroffenen selbst überlassen und nicht auch - und sei es auch nur subsidiär - den Angehörigen. Außerdem werden die Kriterien, nach denen der irreversible Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen festzustellen ist, im Gesetz selbst geregelt und nicht einem Verweis auf die medizinischen Regeln, die dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, überlassen.

Der Gesetzentwurf legt besonderes Gewicht auf die Rechtsposition der Organspendenden. Er benennt die drei unterschiedlichen körperlichen Zustände, aufgrund derer die Explantation möglich und zulässig sein soll. Durch die Verwendung des Kriteriums irreversibler Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen wird klargestellt, daß diese medizinische Voraussetzung ausschließlich Bedeutung als formelles Entnahmekriterium besitzt. Der irreversible Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen ist damit nicht als materielles Todeszeichen anzusehen. Die Zulässigkeit der Explantation ist an das unveräußerliche Persönlichkeitsrecht der spendenden Person durch eine enge Zustimmungsregelung gebunden.

Transplantationsgesetzgebung als verfassungsrechtliche Pflicht

Die Organentnahme und Organübertragung betrifft Fragen, die der parlamentarische Gesetzgeber unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in eigener Verantwortung zu beantworten hat. Nach der sog. Wesentlichkeitsrechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine gesetzliche Regelung vor allem im Hinblick auf die Grundrechtsintensität des berührten Sachbereichs, aber auch, weil es sich um ein in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiertes Thema handelt, notwendig.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 26 GG, für die strafrechtlichen Bestimmungen zusätzlich aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Die Befugnis des Bundes erstreckt sich gemäß Artikel 72 Abs. 1 GG auch auf diesen Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, weil eine bundesgesetzliche Regelung zur Wahrung bzw. Herstellung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist.

Insbesondere: Die Entnahme lebenswichtiger Organe

Das zentrale und in jüngster Zeit besonders kontrovers diskutierte Problem eines Transplantationsgesetzes ist die Entnahme lebenswichtiger Organe bei sog. hirntoten Patienten und Patientinnen. Die zutreffende Erfassung des Status des/der Hirntoten ist unabdingbare Voraussetzung sowohl für ein verfassungsrechtlich tragfähiges als auch für ein medizinethisch konsensfähiges Modell der Organentnahme und Organübertragung. Der vorgelegte Gesetzentwurf geht von der - verfassungsrechtlich gebotenen - Annahme aus, daß der Hirntod zwar eine fundamentale Zäsur für den Patienten oder die Patientin darstellt, aber eine solche "intra vitam" (vgl. Thomas, MedEthik 1994, 189, 203). Mit anderen Worten: Hirntote Patienten und Patientinnen leben.

Dem entscheidenden Schritt zur Etablierung des Hirntodkonzeptes in der westlichen Welt, der mit der Veröffentlichung eines berühmten Papiers einer Ad-hoc- Kommission der Harvard Medical School im Jahre 1968 vollzogen wurde, lag eine ausschließlich pragmatische Motivation zugrunde, nämlich der Versuch, die Knappheits- und Verteilungsprobleme der Intensiv- und Transplantationsmedizin zu lösen. Diese pragmatische "Begründung" des Hirntodes ist Ausdruck eines strukturellen Dilemmas der Medizin. Die Rasanz des medizinischen Fortschritts verändert die gesellschaftlichen Lebensbedingungen und entkleidet dabei auch die elementaren Grundkonstanten des Gemeinwesens - Leben, Sterben, Tod - ihres ehemals urwüchsigen Charakters. Die Möglichkeiten der Intensivmedizin haben die Eindeutigkeit, die den Begriff des Todes ursprünglich auszeichnete, beseitigt und den Prozeßcharakter des Todes deutlich gemacht. Je mehr aber der technische Zugriff der Medizin das Naturereignis "Tod" entnaturalisiert und zu einem kontinuierlichen Prozeß macht, um so schärfer stellt sich das Problem der ethischen und der rechtlichen Grenzziehung zwischen Tod und Leben. Dieselbe Praxis, die den Tod als Ereignis faktisch auflöst, zwingt dazu, seine Ereignishaftigkeit wieder herzustellen. Doch nunmehr geht es nicht mehr allein darum, den Tod festzustellen, sondern darum, einen möglichst praktikablen Todeszeitpunkt festzulegen. Mit anderen Worten: Die weit verbreitete These, der Hirntod sei der Tod des Menschen, ist keineswegs - wie häufig suggeriert wird - eine naturwissenschaftliche "Tatsache", sondern eine wertende Beschreibung. Diese Zuschreibung aber liegt außerhalb der naturwissenschaftlichen Zuständigkeiten. Die Beantwortung der mit dem "Hirntod" implizit entschiedenen Frage, was den Menschen - also das Subjekt des Todes - eigentlich ausmacht, fällt nicht in die Monopolkompetenz der Medizin. Wann menschliches Leben beginnt, und wann es endet, ist angesichts der grundrechtlichen Gewährleistung des Artikels 2 Abs. 2 GG zumindest auch eine Frage problemadäquater Verfassungsrechtskonkretisierung. Der Begriff des Lebens ist - - obwohl er auf die der Rechtsordnung vorgegebene biologische Existenz verweist - normativ zu bestimmen. Das Leben wird zum Zwecke des Schutzes vor externer Verfügbarkeit als Rechtsgut konstituiert. Der Begriff Leben, wie er im Grundrechtstatbestand des Artikels 2 Abs. 2 GG als Schutzgut benannt ist, ist nun in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die durchweg einem weiten Tatbestandsverständnis verpflichtet ist, extensiv auszulegen. Nur so kann Artikel 2 Abs. 2 GG seiner Funktion gerecht werden, auf aktuelle und potentielle Gefährdungen menschlicher Existenz angemessen zu reagieren.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund die in letzter Zeit vorgelegten Versuche, die Gleichsetzung von Hirntod und Tod des Menschen zu begründen, drängen sich verfassungsrechtliche Bedenken geradezu auf. Reduziert man die in unterschiedlichen Varianten bzw. Kombinationen vorgetragenen Konzeptionen auf ihre Grundstrukturen, so lassen sich zwei Argumentationsmuster unterscheiden:

a) Die anthropologische Begründung des Hirntodkonzeptes

Ein Rechtfertigungsversuch der Hirntodkonzeption behauptet, das "eigentlich" Menschliche habe mit dem irreversiblen Ausfall des Hirns aufgehört zu existieren. Ein Mensch, dessen Hirn abgestorben sei, könne nichts mehr aus seinem Inneren und seiner Umgebung empfinden, wahrnehmen, beobachten, nichts mehr denken, nichts mehr entscheiden. Mit dem völligen und endgültigen Ausfall seines Gehirns habe deshalb der betroffene Mensch aufgehört, ein Lebewesen in körperlich-geistiger oder leiblich-seelischer Einheit zu sein. Diese "Geistigkeitstheorie" ist nach Maßgabe verfassungsrechtlicher Kriterien in hohem Maße fragwürdig. In der Grundrechtslehre besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß das Leben als tatbestandlich benanntes Schutzgut des Artikels 2 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nach materiellen Kriterien bestimmt werden darf. Auf den Grad der Lebensfähigkeit beispielsweise kommt es ebensowenig an wie auf ein bestimmtes Potential an Kognitivität, Selbstbewußtsein, Selbststeuerung usw. Irrelevant ist insbesondere auch, ob jemand durch den Verlust aller oder gar nur einiger weniger Hirnfunktionen noch als "Person" gelten kann. Die gegenteilige These, die in zunehmendem Maße in der gegenwärtigen bioethischen Diskussion eine Rolle spielt, und die es als Ausdruck eines irrationalen Spezieszismus ansieht, jedem menschlichen Individuum unabhängig von seiner qualitativ zu bestimmenden Personengemeinschaft ein Lebensrecht zuzugestehen, ist verfassungsrechtlich unhaltbar.

b) Die biologische Begründung des Hirntodkonzeptes

In zutreffender Einschätzung der defizitären Begründungsstruktur der "Geistigkeitstheorie" verteidigen andere Hirntodbefürworter das Konzept biologisch. Danach ist der Tod eines Menschen - wie der Tod eines jeden Lebewesens - - sein Ende als Organismus in seiner funktionellen Ganzheit. Dieser Zustand sei mit dem Tod des gesamten Gehirns eingetreten. Dies bedeute nämlich biologisch den Verlust von Selbständigkeit, Spontaneität, Selbststeuerung, Wechselbeziehung mit der Umwelt und Integration des Gesamtorganismus. Diese biologische "Ganzheitstheorie" fußt auf der Vorstellung von einem "Zentralorgan Gehirn", das für die Aufrechterhaltung der biologischen Lebensfunktion des Gesamtorganismus unverzichtbar sei. Dies aber wird nicht nur von namhaften Hirnforschern und Neurophysiologen bestritten. Auch der empirische Ausgangsbefund weckt erhebliche Zweifel an der These, ein hirntoter Mensch sei ein Mensch, dessen Leben endgültig erloschen sei: Das Herz von Hirntoten schlägt selbständig, die Vitalfunktionen, also die klassischen Anzeichen biologischen Lebens, sind erhalten (Blutkreislauf, im physiologischen Sinne auch die Atmung (nur das Atemholen, die Zwerchfelltätigkeit, wird maschinell unterstützt), Stoffwechsel). Entsprechendes gilt für die reproduktiven Vitalfunktionen. Das Blutgerinnungs- und das Immunsystem, die wichtige regulative und integrative Funktionen für den Gesamtorganismus wahrnehmen, sind ebenfalls noch intakt. Schließlich begründen auch die mehrfach beobachteten Hirntod- Schwangerschaften erhebliche Zweifel an der Annahme, der hirntote Organismus befinde sich in einem Zustand vollständiger Desorganisation.

Eine rationale Deutung dieses empirischen Befundes legt die Annahme nahe, daß der Hirntod ein Übergangszustand im Sterbeprozeß ist, der technisch festgehalten wird. Der Sterbeprozeß selbst aber ist dem Leben zuzurechnen. Das Mindeste jedenfalls, was sich im Blick auf einen "Hirntoten" feststellen läßt, ist, daß prinzipielles Nichtwissen darüber besteht, ob der Sterbeprozeß bereits abgeschlossen ist. Dann aber gilt als verfassungsrechtliches Gebot: in dubio pro vita. Zweifel daran, ob ein Mensch noch lebt, darf der Gesetzgeber nicht mit einem begriffsreduktionistischen Federstrich zu Lasten des Betroffenen "klären". Vielmehr darf im Blick auf Artikel 2 Abs. 2 GG der Eintritt des Todes erst dann angenommen werden, wenn letzte Zweifel beseitigt sind. Die Absage an die Gleichsetzung von Hirntod und Tod des Menschen wird nun insbesondere von Transplantationsmedizinern als fundamentaler Angriff auf die Organtransplantation empfunden. Ohne die Akzeptanz des Hirntodkriteriums - so wird argumentiert - sei die Transplantationsmedizin am Ende. Das ist indes ein Mißverständnis. Auf der Grundlage einer verfahrens- und organisationsrechtlich abgesicherten Zustimmungslösung kann eine Entnahme lebenswichtiger menschlicher Organe durchaus in verfassungsrechtlich zulässiger Weise geregelt werden.

Die zentralen Voraussetzungen eines solchen Modells lassen sich wie folgt skizzieren:

Weitere Kriterien materieller wie formeller Natur müssen flankierend hinzutreten. So dürfen lebenswichtige Organe nur mit dem Ziel entnommen werden, für einen anderen Menschen eine Lebensverlängerung bzw. nachhaltige Besserung seines Gesundheitszustandes zu bewirken. Darüber hinaus bedürfen Art und Verfahren der Hirntodfeststellung einer eingehenden verfahrens- und organisationsrechtlichen Absicherung. Schließlich muß das zukünftige Transplantationsgesetz festlegen, auf welcher Informationsgrundlage die erforderliche Einwilligung zu erfolgen hat.

Tragendes Element des skizzierten normativen Modells der Entnahme lebenswichtiger Organe ist also eine (enge) Zustimmungslösung. Diese anerkennt die nach umfassender Aufklärung erklärte, selbstbestimmte Einwilligung einer einwilligungsfähigen (mindestens 16 Jahre alten) Person als das aus verfassungsrechtlicher Sicht unabdingbare materielle Legitimationskriterium für die Organentnahme. Hiermit korrespondiert ein Aufklärungsanspruch.

Diesem Modell liegen folgende Überlegungen zugrunde: Der Hirntod bezeichnet einen spezifischen todesnahen Krankheitszustand. Dieser markiert zugleich die Grenze, jenseits derer - um Adolf Laufs, den führenden deutschen Medizinrechtler, zu zitieren - dem Arzt weder die Pflicht noch das Recht zukommt, den sterbenden Menschen weiter zu behandeln. Es geht dabei um den Respekt vor dem sterbenden Menschen und dessen Recht auf einen würdigen Tod. Oder anders formuliert: Der hirntote Mensch hat einen verfassungsrechtlich fundierten Anspruch darauf, nicht gegen seinen Willen am Leben erhalten zu werden. So wie der hirntote Mensch demzufolge ein Recht auf den Abbruch der Intensivbehandlung mit der Folge des alsbaldigen Todeseintritts hat, steht ihm aber zugleich die Befugnis zu, für sich einen anderen Modus des Sterbens zu wählen. Die vorab zu Lebzeiten erklärte Einwilligung in eine Organspende bedeutet das Einverständnis mit der - durch die Vorbereitung der Organentnahme bedingten - kurzzeitigen Verlängerung des irreversiblen Sterbeprozesses im Interesse einer Lebensrettung bzw. Leidensminderung Dritter.

Diese Entscheidungsfreiheit des Organspenders ist verfassungsrechtlich geschützt. Es kann heute auch im Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als gesicherte Erkenntnis der verfassungsrechtlichen Dogmatik angesehen werden, daß die in Artikel 2 Abs. 1 i.V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG geschützte Selbstbestimmung der Persönlichkeit auch den Grundsatz legitimiert, über grundrechtliche Positionen verfügen zu können. Diese grundsätzliche Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes findet in einzelnen Grundrechtsbestimmungen ihre spezifische Ausprägung. Dies gilt namentlich für solche Grundrechtsgewährleistungen, die personale Rechtsgüter schützen. Dazu zählt an vorderster Stelle Artikel 2 Abs. 2 GG. Hier entfaltet sich der spezifische Autonomiegehalt der Garantie des Lebensgrundrechts. Dieser ist auch Grundlage der Freiheit des Sterbens im Sinne eines Rechts auf einen menschenwürdigen, mit selbstbestimmter Sinngebung erfüllten Tod. Die Bestimmung über seine leiblich-seelische Integrität gehört zum ureigensten Bereich der Personalität des Menschen. In diesem Bereich ist er aus der Sicht des Grundgesetzes frei, seine Maßstäbe zu wählen und nach ihnen zu leben und zu entscheiden. Eben diese Freiheit zur Selbstbestimmung wird durch Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG besonders hervorgehoben und verbürgt.

Gegenüber dem vorstehend skizzierten Modell einer verfassungskonformen Regelung wenden Befürworter der Hirntodkonzeption ein, daß damit ein verhängnisvoller Schritt in Richtung auf aktive Euthanasie getan und gegen das strafrechtlich sanktionierte Verbot der Tötung auf Verlangen (vgl. § 216 StGB) verstoßen werde. Beide Einwände greifen indes nicht: Da die vorab erklärte Einwilligung in eine Organspende - wie dargestellt - das Einverständnis mit der Verlängerung des irreversiblen Sterbeprozesses im Interesse einer Lebensrettung bzw. einer Leidensminderung Dritter bedeutet, läßt sich dieser Vorgang weder in intentioneller noch in struktureller Hinsicht mit der Euthanasieproblematik vergleichen. Die Vorschrift des § 216 StGB, die auf den Schutz vor Voreiligkeit zielt, erfaßt bereits von ihrem Normzweck her nicht die Fälle der Einwilligung in eine Organentnahme nach einer Hirntoddiagnose.

Von der Grundregel einer engen Zustimmungslösung macht der Gesetzentwurf nur in § 4 eine Ausnahme: Danach können bei Kindern und Jugendlichen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die sorgeberechtigten Eltern in eine Organentnahme unter bestimmten Voraussetzungen einwilligen. Diese Konzeption einer stellvertretenden Einwilligung der Eltern ist unter Berücksichtigung des durch Artikel 6 Abs. 2 GG gewährleisteten Sorgerechts gerechtfertigt. Die mit der Zustimmung zur Organentnahme verbundene Entscheidung über Dauer und Art des Sterbeprozesses des Kindes bzw. des Jugendlichen wird von der verantwortungsgebundenen Befugnis der Eltern umfaßt, über die Lebens- und Entwicklungsbedingungen ihres Kindes zu entscheiden. Dem steht die verfassungsrechtliche Position des Kindes als eines eigenständigen Grundrechtssubjektes im Ergebnis nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seiner Rechtsprechung das Kindeswohl zu einem zentralen Element der Auslegung des Artikels 6 GG entwickelt und diese zum Richtpunkt für den Auftrag des Staates gemäß Artikel 6 Abs. 2 GG erklärt. Eine Gefährdung des Kindeswohls in diesem Sinne realisiert sich indes nicht bei der Einwilligung der Eltern in die Organexplantation bei ihrem hirntoten Kind. Es geht - wie bereits ausgeführt - um eine Entscheidung über die kurzzeitige Verlängerung des irreversiblen Sterbeprozesses und den Modus des Sterbens. Ein kindesrechtsverletzender Mißbrauch des Elternrechts, der den Grundrechtsschutz entfallen ließe, kann hierin nicht gesehen werden.

Wenn dieses Gesetz hier deshalb eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unzulässigkeit der Fremdbestimmung zuläßt, so geschieht dies auch aus der Erwägung heraus, daß andernfalls Kindern, die zur Erhaltung ihres Lebens auf die Spende des Organs eines Kindes angewiesen sind, in keiner Weise geholfen werden könnte.

Organspende und Transplantationsmedizin aus datenschutzrechtlicher Sicht

Medizinische Daten gehören zum persönlichen Lebens- und Geheimnisbereich des Menschen. Sie betreffen die innerste private Sphäre, die der potentiellen Neugier des/der einzelnen sowie des Staates grundsätzlich entzogen sein muß, soweit eine Weitergabe und Speicherung der Daten nicht aus gesundheitlichen Gründen zwingend notwendig ist. Auch wenn wie bei dem vorliegenden Gesetz der Zweck dieser personenbezogenen Daten primär und vordergründig einer effektiven Organvermittlung, damit der Heilbehandlung und nicht der Abrechnung, Statistik, Forschung oder ähnlichem dient, stellt sich gerade für die hier relevanten medizinischen Daten die Frage nach einem wirksamen Datenschutz.

Dies insbesondere deshalb, weil die für die Organvermittlung erforderlichen medizinischen Daten weit über das Vertrauensverhältnis zwischen behandelndem Arzt und Patient hinaus benutzt werden, um eine optimale Zuordnung geeigneter Spenderorgane zum Organ des Empfängers zu gewährleisten. So fungieren zentrale Stellen wie die Koordinierungsstelle und die international operierende Vermittlungsstelle als Datenträger mit originär unbegrenzten Zugriffsmöglichkeiten. Das durch das Gesetz installierte Organvermittlungssystem zeichnet sich ferner durch komplexe Informationsströme aus. Das durch Artikel 2 Abs. 1 i.V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfaßt die Befugnis des Individuums, selbst über die Verwendung und Preisgabe der persönlichen Daten zu entscheiden.

Einschränkungen sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muß. Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und organisatorische und verfahrensrechtliche Regelungen zu schaffen, welche einer Verletzung des Grundrechts entgegenwirken. Der Verwendungszweck personenbezogener Daten muß bereichsspezifisch und präzise bestimmt werden. Die Verwendung ist dabei auf den so bestimmten Zweck zu begrenzen. Notwendig ist generell auch ein amtshilfefester Schutz gegen Zweckentfremdung durch Weitergabe- und Verwertungsverbote. Einschränkungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts bedürfen stets einer gesetzlichen Grundlage. Die Anforderung an den verfahrensrechtlichen Schutz hängt von Art, Umfang und denkbaren Verwendungen der erhobenen Daten sowie der Gefahr des Mißbrauchs ab. Schutzvorkehrungen sind zum einen Aufklärungs-, Löschungs- und Auskunftspflichten, zum anderen Anonymisierung und Abschottung der gespeicherten Daten. Die Einschränkungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts können vorliegend zwar durch ein hoch einzustufendes Allgemeininteresse gerechtfertigt werden, dennoch dürfen die sensiblen medizinischen Daten nicht ungeschützt bleiben. Die freiwillige Weitergabe insbesondere der Gesundheitsdaten der Organempfangenden an die jeweiligen zentralen Dateien beruht auf der Notlage der kranken Menschen, deren Interesse an einer baldigen lebensrettenden Transplantation unter Umständen größer ist, als die Sorge einer mißbräuchlichen Verwendung ihrer personenbezogenen Daten. In ihrem objektiv verstandenen Interesse ist es daher notwendig, wirksame Vorkehrungen zum Schutz ihrer Daten zu treffen. Die notwendige informations- und kommunikationstechnische Vernetzung des Transplantationsgeschehens darf keinem technischen Erfolgsstreben oder der Gewinnung "entmenschlichter" Statistiken dienen, sondern allein einer sozialen und humanen Medizin im Interesse der kranken Menschen.

Einzelbegründung

Zu § 1 (Anwendungsbereich)

Die Vorschrift stellt einleitend klar, daß nunmehr sowohl der Bereich der Organspende als auch die Transplantationspraxis von menschlichen Organen auf die nachfolgende gesetzliche Grundlage gestellt wird. Der Regelungsrahmen erstreckt sich auf die Spende und die Transplantation von menschlichen Organen, Organteilen und Geweben und wird gleichzeitig auf diesen begrenzt. Das Gesetz nennt in Absatz 1 drei unterschiedliche körperliche Zustände, aufgrund derer die Transplantation möglich und zulässig sein soll. Neben der Lebendspende und der Spende nach dem Tod durch irreversiblen Herz-Kreislaufstillstand wird die Spende von Organen nach irreversiblem Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen (Hirntod) als gesondertes Kriterium genannt. Die sog. Hirntoten werden ausdrücklich den Lebenden zugeordnet. Insgesamt ergibt sich diese Dreiteilung sowohl aus der medizinischen als auch der ethischen Natur der Sache. Durch die Regelung des Anwendungsbereichs wird die Zulässigkeit von Organentnahmen und Übertragungen zu anderen Zwecken als der Implantation auf andere Menschen mit dem Ziel der Lebensverlängerung oder der nachhaltigen Verbesserung des Gesundheitszustandes ausgeschlossen. Die Anwendung der Transplantationsmedizin hat darüber hinaus ungeachtet weiterer wissenschaftlicher Entwicklungen von vornherein ihre medizinische und ethische Grenze in der Transplantation menschlicher Organe zu finden.

Spende- und entnahmefähige Organe sind per Gesetzesdefinition allein Organe, Organteile und Gewebe, die zudem natürliche Bestandteile des menschlichen Körpers sein müssen. Damit ist auch klargestellt, daß Föten und Embryonen einer Transplantation mangels ihrer Eigenschaft als natürlicher Bestandteil des Körpers nicht zugänglich sind.

Zu § 2 (Unzulässige Transplantate)

Die Bestimmung stellt unmißverständlich klar, daß das menschliche Gehirn kein Objekt transplantationsmedizinischen Handelns ist. Die Spende, die Entnahme und die Übertragung des Gehirns, von Teilen des Gehirns oder von Hirngewebe ist uneingeschränkt nicht erlaubt. In Anbetracht der bisherigen Forschung und der sich zunehmend entwickelnden medizinischen Möglichkeiten dient diese Regelung dem Schutz der Bevölkerung. Der berechtigten Beängstigung wegen der zu erwartenden Folgen von Hirntransplantationen soll auf seiten der Spendebereiten und auf seiten der Organempfängerinnen und -empfänger entgegengewirkt werden.

Weiter wird erstmalig der Umgang mit Föten und Embryonen in der Transplantationsmedizin auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und somit der außerrechtlichen Selbstbindung der Ärzteschaft entzogen. Die Bestimmung sieht das generelle Verbot der Entnahme und der Übertragung von Organen von Föten und Embryonen vor. Es wird klargestellt, daß Organe, Organteile und Gewebe von Föten und Embryonen auch nach deren Einnistung in der Gebärmutter weder entnommen noch übertragen werden dürfen. Diese Regelung stellt eine sinnvolle Ergänzung zum Embryonenschutzgesetz dar.

Zu § 3 (Aufklärungsanspruch)

Diese Vorschrift gewährleistet, daß Personen, die potentiell zur Abgabe einer Einwilligungserklärung bereit sind, sich zuvor auf Wunsch umfassend über die Bedeutung einer Einwilligung aufklären lassen können. Erforderlichenfalls ist für die Aufklärung eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher zu stellen. Durch den Aufklärungsanspruch soll sichergestellt werden, daß den interessierten Personen sämtliche Informationen für eine eigene Entscheidung zukommen. Das Aufklärungsgespräch muß ergebnisoffen geführt werden. Die Qualität der Aufklärung ist am ehesten durch eine staatliche, einheitliche und dezentralisierte Aufklärungsstelle zu erreichen, so daß die Zuständigkeit auf die örtlichen Gesundheitsämter übertragen worden ist.

Zu § 4 (Einwilligung in eine Organentnahme)

Eine Einwilligung in die Entnahme von lebenswichtigen Organen ist grundsätzlich ab Vollendung des 16. Lebensjahres möglich, sofern uneingeschränkte Einsichtsfähigkeit gegeben ist. An der Fähigkeit zur Einsicht in die Tragweite einer solchen Entscheidung ab Vollendung des 16. Lebensjahres bestehen keine Zweifel. Diese Altersgrenze entspricht auch geltender Altersregelung für den Beginn der Testierfähigkeit. Die Voraussetzung der uneingeschränkten Einsichtsfähigkeit begründet sich aus dem Gebot, diejenigen Menschen, die die Tragweite einer Entscheidung zur Organentnahme nicht übersehen und bzw. oder leicht Opfer von Manipulationen werden, zu schützen.

Eine Ausnahme für die Altersgrenze gilt wegen der gesundheitlichen und medizinischen Folgen für die Lebendspende von einem von paarig vorhandenen Organen oder einem Organteil. Eine solche Einwilligung kann erst ab Vollendung des 18. Lebensjahres erklärt werden. Eine Einwilligung in eine Lebendspende ist vor dieser Altersgrenze grundsätzlich nicht möglich.

Die Einwilligung kann grundsätzlich nur höchstpersönlich erklärt werden. Jede Form der Vertretung durch Pflegeeltern, Vormünder, Betreuer oder Pfleger ist ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist auch die Einwilligung durch Angehörige und die Übertragung der Entscheidung zur Einwilligung auf Dritte durch die Spenderin oder den Spender selbst.

Eine Ausnahme zum Erfordernis der Höchstpersönlichkeit besteht lediglich in zwei Fällen für die sorgeberechtigten Eltern eines Kindes, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Wird der irreversible Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen oder der irreversible Herz-Kreislaufstillstand diagnostiziert, können Eltern für ihr Kind in eine Organentnahme einwilligen, wenn der ausdrückliche oder zum Ausdruck gebrachte Wille des Kindes nicht entgegensteht. Einem entgegenstehenden Willen des Kindes ist zwingend Folge zu leisten. Die Einwilligung der Eltern hat entsprechend den Regelungen zum Organspendeausweis schriftlich zu erfolgen.

Zu § 5 (Organspendeausweis)

§ 5 Abs. 1 sieht die Einführung eines Organspendeausweises vor. Dieser weist die spendende Person als solche aus und beinhaltet zugleich eine evtl. Beschränkung der zur Spende erklärten Organe. Die Vorschrift gilt zwingend für den Fall der Lebendspende nach irreversiblem Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen und des Todes nach irreversiblem Herz- Kreislaufstillstand.

Der Organspendeausweis erfüllt drei Funktionen: Die strenge Formvorschrift der Schriftlichkeit und das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift erleichtern den Beweis, daß eine rechtmäßige Einwilligung vorliegt (Beweisfunktion). Das strenge Formerfordernis führt der spendenden Person die Tragweite der Entscheidung vor Augen (Warnfunktion). Der Ausweis ermöglicht es schließlich dem Arzt oder der Ärztin, ohne weitere Nachforschungen etwa ein Unfallopfer als Organspender zu erkennen und erlaubt, die ggf. notwendigen medizinischen Maßnahmen einzuleiten (Informationsfunktion).

Die Eigenhändigkeit der Eintragung bei einer Beschränkung der Spende auf bestimmte Organe dient der Beweisfunktion des Ausweises.

Das Bereithalten von Ausweisformularen erfolgt durch die örtlichen Gesundheitsämter.

Aus Gründen der Rechtssicherheit ist ein bundeseinheitlicher Organspendeausweis vorgesehen. Das Bundesministerium für Gesundheit legt ein Muster für den Organspendeausweis fest.

Zu § 6 (Widerruf der Einwilligung)

Jede Organspenderin und jeder Organspender hat jederzeit die Möglichkeit, die abgegebene Einwilligungserklärung mündlich oder schriftlich zu widerrufen. Die zeitliche Uneingeschränktheit des Widerrufs wird auch dadurch gewährleistet, daß der Widerruf neben einer Vernichtung auch durch eine Veränderung des Organspendeausweises, wie Streichungen, nachträgliche Erklärungen, erfolgen kann. Zum Schutz der im Besitz von Spendeausweisen befindlichen Personen gilt bei unklaren Veränderungen des Organspendeausweises im Zweifel die gesetzliche Vermutung für den Widerruf.

Zu § 7 (Ausschluß des rechtfertigenden Notstandes)

Entgegen der bisherigen Rechtsprechungspraxis zu § 34 des Strafgesetzbuches stellt das Gesetz nun klar, daß eine Berufung auf den Tatbestand des rechtfertigenden Notstandes bei einer Organentnahme ohne vorliegende Einwilligung ausgeschlossen ist. Zukünftig ist damit eine Organentnahme zur Abwendung von Schäden Dritter ohne vorliegende Einwilligung grundsätzlich nicht mehr gerechtfertigt, sondern rechtswidrig und strafbar.

Zu § 8 (Entnahmeprotokoll)

Das Transplantationsgeschehen muß nachvollziehbar sein. Aus diesem Grund sieht die Vorschrift vor, daß grundsätzlich über jede Entnahme von Organen ein Protokoll über den Umfang und den Verlauf der Explantation anzufertigen ist. Diese Verpflichtung ist durch die explantierende Ärztin oder den explantierenden Arzt selbst zu erfüllen.

Zu § 9 (Information der Angehörigen)

Vor einer Explantation sind die Angehörigen zu benachrichtigen. Weiter ist auf ihr Verlangen hin das Vorliegen eines gültigen Spendeausweises nachzuweisen. Nach einer Explantation haben die Angehörigen insbesondere das Recht, die Krankenakte und das Entnahmeprotokoll einzusehen, wobei eine sachverständige Person ihres Vertrauens hinzugezogen werden kann. Diese Regelung gilt nicht, wenn die spendende Person die Information der Angehörigen ausgeschlossen hatte.

Ansonsten ist ein Durchbrechen der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber den nächsten Angehörigen gerechtfertigt. Die Geheimnisoffenbarung dient dem Interesse der spendenden Person, da es die Durchsetzung ihres Willens auch zu einem Zeitpunkt sichert, in dem eine eigene Äußerung nicht mehr möglich ist.

Zu § 10 (Besondere ärztliche Sorgfaltspflicht im Umgang mit Organspendenden)

Diese Vorschrift stellt gegenüber der üblichen ärztlichen Sorgfaltspflicht erhöhte Anforderungen speziell an die explantierende Ärzteschaft. Dies gilt in erster Linie für Organentnahmen nach irreversiblem Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen und irreversiblem Herz-Kreislaufstillstand im Hinblick auf die Bedürfnisse der Angehörigen.

Zu § 11 (Ort der Organübertragung (Transplantationszentrum))

Vermittlungspflichtige Organe, § 21, dürfen nach dieser Regelung ausschließlich in hierfür zugelassenen Transplantationszentren übertragen, also implantiert, werden. Damit soll sichergestellt werden, daß durch eine entsprechende Spezialisierung auf die Übertragung bestimmter Organe die ein Organ empfangenden Patienten bestmöglich medizinisch und psychisch versorgt und betreut werden.

Zu § 12 (Freiwillige Mitwirkung an der Organtransplantation)

Die Regelung des § 12 soll vor allem das weisungsgebundene Krankenhauspersonal, insbesondere also Krankenschwestern und Pfleger, davor schützen, trotz einer möglicherweise während der Pflege aufgebauten Beziehung zu der Patientin oder dem Patienten an der Explantation mitwirken zu müssen.

Zu § 13 (Voraussetzungen der Organentnahme bei Lebendspenden)

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Organentnahme nach § 13 sind eng gefaßt. Neben dem Vorliegen einer wirksamen Einwilligung ist insbesondere die der Einwilligung vorausgegangene ärztliche Aufklärung von Bedeutung. Die ärztliche Aufklärung hat sich auch auf sämtliche Nachteile sowie auf alle unmittelbaren und mittelbaren Folgen einer Organentnahme zu erstrecken. Es muß vor einer Explantation festgestellt worden sein, daß die Spenderin oder der Spender keine über das unmittelbare Operationsrisiko hinausgehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten hat. Um zum einen die Erfolgsaussichten einer solchen Transplantation zu erhöhen und zum anderen die Lebendspende einer möglichen Kommerzialisierung zu entziehen, ist die Übertragung allein auf Verwandte ersten und zweiten Grades zulässig. Die Lebendspende für Verwandte ersten und zweiten Grades ist weiter nur dann zulässig, wenn nach Abwägung aller Umstände keine gleichwertige Alternative erkennbar ist.

Zu § 14 (Ärztliche Aufklärungspflicht)

Die Bestimmung legt erhöhte Anforderungen an das Verfahren bei ärztlicher Aufklärung vor einer Lebendspende fest. Die explantierende Ärztin oder der explantierende Arzt selbst hat die Aufklärung unter Hinzuziehung einer zweiten Ärztin oder eines zweiten Arztes vorzunehmen. Da im Falle der Lebendspende ein Organspendeausweis nicht in Betracht kommt, ist der Inhalt der Aufklärung unter Benennung des zu entnehmenden Organs gesondert schriftlich festzuhalten und von allen Beteiligten zu unterschreiben.

Zu § 15 (Voraussetzungen der Organentnahme nach irreversiblem Ausfall der Hirnfunktionen)

Neben der im Gesetz genannten Voraussetzungen des Vorliegens eines Organspendeausweises vor der Organentnahme ist diese Vorschrift im wesentlichen Verweisvorschrift für die in § 16 aufgeführten medizinischen Befunde, die als Voraussetzung für eine Entnahme diagnostiziert sein müssen. Die Information der Angehörigen vor einer Organentnahme ist als zwingende Regelung an dieser Stelle in das Gesetz aufgenommen.

Zu § 16 (Ärztliche Feststellung des irreversiblen Ausfalls aller meßbaren Hirnfunktionen)

Die zu diagnostizierenden medizinischen Kriterien sind im Gesetz selbst festgelegt und werden nicht länger einer Regelung durch Richtlinien der Bundesärztekammer überlassen. Inhaltlich lehnen sich diese Bestimmungen an die Richtlinien der Bundesärztekammer und teilweise auch an diejenigen der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Eine Abweichung des Entwurfs von den Richtlinien der Bundesärztekammer besteht darin, daß es nach diesen Richtlinien ausreichen soll, wenn alternativ die klinischen Symptome des irreversiblen Ausfalls aller meßbaren Hirnfunktionen nachgewiesen sind (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 bis 7) oder eine EEG-Untersuchung während einer kontinuierlichen Registrierung von mindestens 30 Minuten eine hirnelektrische Stille (Null-Linien-EEG) ergibt (§ 16 Abs. 3 Nr. 8); nach diesem Gesetz hingegen müssen beide Untersuchungsmethoden nebeneinander angewandt werden. Dies dient der größeren Sicherheit bei der Feststellung des irreversiblen Ausfalls aller meßbaren Hirnfunktionen. Aus dem gleichen Grund sieht das Gesetz die Wiederholung einer EEG-Untersuchung nach einer Unterbrechung von sechs Stunden vor. Eine Kontrast-Angiographie der vier Hirnarterien sowie eine Radio-Isotopen-Angiographie dürfen nach dieser Vorschrift nicht vorgenommen werden, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß der irreversible Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen durch eine solche Untersuchung überhaupt erst eintritt.

Zu § 17 (Ärztliches Untersuchungsprotokoll)

Entsprechend einer anläßlich der XXII. Generalversammlung des Weltärztebundes in Sydney (1968) verabschiedeten Resolution bestimmt diese Vorschrift, daß der irreversible Ausfall aller meßbaren Hirnfunktionen von zwei Ärzten festzustellen ist, die ihrerseits nicht an der Entnahme oder an der Übertragung der Organe, Organteile oder Gewebe der Organspenderinnen und Organspender beteiligt sind. Nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß die hierarchischen Strukturen innerhalb eines Krankenhauses für Außenstehende nur schwer einzusehen sind, wird in Anlehnung an die Regelung des § 6 der in der früheren DDR ergangenen und in den neuen Ländern derzeit noch als Landesrecht fortgeltenden Verordnung über die Durchführung von Organtransplantationen vom 4. Juli 1975 (DDR-GBl. S. 597) bestimmt werden, daß die Ärzte und Ärztinnen, die den irreversiblen Ausfall aller Hirnfunktionen feststellen sollen, dazu einer besonderen fachlichen Qualifikation bedürfen. Aus diesem Grund dürfen die Befunde nur von Neurologinnen und Neurologen festgestellt werden. Die Protokolle sind einzeln und unabhängig voneinander zu erstellen und jeweils eigenhändig zu unterzeichnen. Liegen keine übereinstimmenden Ergebnisse der Untersuchung nach § 16 vor, darf eine Explantation nicht stattfinden. Die Protokolle müssen weiter zwingend darüber Aufschluß geben, daß bestimmte, nicht abschließend aufgezählte, dem Ausfall von Hirnfunktionen ähnliche Befunde ausgeschlossen wurden. Hierzu zählt vor allem auch das endokrine oder metabolische Koma.

Zu § 18 (Voraussetzungen der Organentnahme nach irreversiblem Herz-Kreislaufstillstand)

§ 18 entspricht § 15.

Zu § 19 (Ärztliche Feststellung des irreversiblen Herz- Kreislaufstillstandes; Protokoll)

Vor einer Entnahme von Körperteilen müssen sich die untersuchenden und feststellenden Ärzte davon überzeugt haben, daß der Herz-Kreislaufstillstand irreversibel eingetreten ist. Das Gesetz gibt Kriterien wie Todesflecken als sichere Todeszeichen oder ähnliche Symptome vor. Durch den Verweis auf § 17 ist klargestellt, daß auch in diesem Zusammenhang die strengen Anforderungen an die Unabhängigkeit und die Zahl der untersuchenden und feststellenden Ärzte und die Protokollierung der Untersuchungsergebnisse gestellt sind. Lediglich die Voraussetzung einer neurologischen Fachausbildung entfällt.

Zu § 20 (Vermittlungspflichtige Organe)

Der Gesetzgeber ist aus einer grundsätzlichen ethischen Verpflichtung gehalten, lebenswichtige Organe durch das Gesetz in besonderer Weise hervorzuheben und zu schützen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der Aufgabe des Staates zur Wahrung des Schutzes des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, Artikel 2 Abs. 2 GG.

Zu § 21 (Koordinierungsstelle)

Die Transplantationszentren müssen komplizierte technische, medizinische und ethische Problemstellungen bewältigen. Sie sind daher auf die Unterstützung einer besonderen Stelle angewiesen, die übergeordnet über die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften wacht und die konkrete Arbeit der Transplantationszentren unterstützt. Die Koordinierungsstelle fungiert darüber hinaus als Schnittstelle für die Verständigung zwischen den Transplantationszentren und der Vermittlungsstelle.

Zu § 22 (Vermittlungsstelle)

Die Vermittlungsstelle bietet über die Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle hinaus die Möglichkeit, die Organvermittlung selbst und auch international durchzuführen. Durch die zu erwartende internationale Organvermittlung werden deutlich die Chancen erhöht, geeignete Spenderorgane an die jeweiligen Empfängerinnen und Empfänger zu vermitteln. Die für einen Vertragsabschluß in erster Linie in Frage kommende bereits bestehende Einrichtung der Organvermittlung Eurotransplant in Leiden (Holland) hat sich bereits bewährt. Da der in dieser Vorschrift vorgesehene Vertrag zur Errichtung der Vermittlungsstelle auch mit einer übernationalen Einrichtung abgeschlossen werden kann und vermutlich abgeschlossen wird, ist es dringend erforderlich, die Wahrung der hohen nationalen datenschutzrechtlichen Standards durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Der Vertrag sieht deshalb vor, daß die notwendig gespeicherten Daten trotz Anonymisierung nach den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes geschützt sein müssen. Der bzw. die Bundesdatenschutzbeauftragte muß die Möglichkeit haben, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vereinbarungen regelmäßig zu überwachen und Einsicht in das Verfahren bei der internationalen Vermittlungsstelle zu nehmen. Die Vermittlungsstelle führt eine anonymisierte Warteliste. Die Vermittlung kann ohne eine Individualisierung der von den Transplantationszentren übermittelten medizinischen Informationen ausgeführt werden. Ob die vermittelten Organe kompatibel sind, kann allein anhand der medizinischen Angaben beurteilt werden. Notwendig ist aber die Weitergabe und zentrale Speicherung des Geburtsjahrs und -monats, um die Unverträglichkeit von Kinder- und Erwachsenenorganen zu erkennen. Dies kann im Rahmen der Referenznummer geschehen.

Zu § 23 (Transplantationszentren)

Siehe zunächst die Begründung zu § 11.

Auch die Transplantationszentren führen Wartelisten der Organempfängerinnen und -empfänger, welche der Vermittlungsstelle zugeleitet werden. Die Transplantationszentren sind dafür verantwortlich, die persönlichen Daten zu verschlüsseln mit der Konsequenz, daß ausschließlich die Transplantationszentren über die jeweilige Person und ihre persönlichen Daten informiert sind. Der Verbleib der Daten allein an dieser Stelle verhindert den Mißbrauch dieser besonders schutzwürdigen Informationen für Zwecke, die vom Schutzbereich dieses Gesetzes nicht umfaßt werden oder diesem entgegenstehen.

Zu § 24 (Meldungen, Begleitpapiere)

Die Verwendung einer Kennummer durch die Koordinierungsstelle in dem Begleitpapier und bei der Meldung der verschlüsselten Spenderdaten an die Vermittlungsstelle sichert den Schutz der personenbezogenen Daten der Spenderin und des Spenders. Eine Reanonymisierung der Spenderdaten darf daher nur erfolgen, wenn höherrangige erhebliche Interessen dies erfordern. Es ist nicht ersichtlich, daß es Gründe für eine problemlose Reidentifizierung gibt. Eine Reidentifizierung sollte daher auf wenige notwendige Einzelfälle beschränkt bleiben.

Zu § 25 (Datenschutz)

Die bzw. der Datenschutzbeauftragte erhält nach dieser Regelung die Möglichkeit, die Koordinierungs- und die Vermittlungsstelle auch dann datenschutzrechtlich wirksam zu überwachen, wenn diese keine öffentlichen Stellen sind. Die Möglichkeit zur Datenkontrolle besteht daher ohne die Notwendigkeit eines konkreten Verdachts für einen datenschutzrechtlichen Verstoß. Die vorgesehene allgemeine und grundsätzliche Geheimhaltungspflicht der beteiligten Personen ist für die hinreichende Gewährung des Datenschutzes unabdingbar. Eine Beschränkung der Verwendung und Nutzung der personenbezogenen Daten auf den eng definierten Gesetzeszweck entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es besteht ein striktes Zweckbindungsgebot, das grundsätzlich auch durch spätere Änderungen anderer Gesetze nicht unterlaufen werden kann.

Zu § 26 (Aufbewahrungs- und Löschungsfristen)

Aus Gründen der Rechtssicherheit unterliegen die nach diesem Gesetz zwingend notwendigen Aufzeichnungen und Dokumentationen einer langfristigen und einheitlichen Aufbewahrungspflicht. Nach Ablauf der 15jährigen Aufbewahrungszeit ist aus datenschutzrechtlichen Gründen eine kurze Löschungsfrist von längstens einem Jahr erforderlich.

Zu § 27 (Verbot des Organhandels)

Menschliche Organe sind keine Handelsware. § 27 Abs. 1 sieht daher das generelle und grundsätzliche Verbot jeglichen Handeltreibens mit zum Zwecke der Transplantation nach diesem Gesetz entnommenen Organen vor. Absatz 2 regelt zwei Ausnahmetatbestände:

1. Als verbotener Handel mit Organen gelten nicht diejenigen Maßnahmen, die gegen Entgelt zum Zwecke der Zielerreichung der Transplantation vorgenommen werden. Hierzu zählen vor allem die Aufbewahrung und die Beförderung von Organen.

2. Fälle, in denen jemand gegen Entgelt der Entnahme eines seiner Organe zustimmt, können nicht völlig ausgeschlossen werden. Wird mit einem solchen Organ anschließend durch Dritte Handel getrieben, fällt dies zwar unter das Verbot des Handeltreibens; die Organspenderin oder der Organspender unterliegt jedoch keiner strafrechtlichen Verfolgung. Bei Kenntnis der Umstände wird jedoch die Entnahme und die Übertragung eines solchen Organs unter Strafe gestellt (§ 28 Abs. 1).

Zu § 28 (Organhandel)

Wer gegen das Verbot des Handeltreibens mit Organen nach § 27 Abs. 1 verstößt oder entgegen § 27 Abs. 2 Satz 2 ein Organ entnimmt oder überträgt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert. Erfaßt wird auch das Ein- und Ausführen von Organen zum Zwecke des Handeltreibens. Für diesen Tatbestand gilt das gleiche Strafmaß.

Verboten ist auch das Vermitteln von Transplantationen zum Zwecke des Handeltreibens sowie das Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheiten. Mit dieser Vorschrift soll einem organisierten "Organtourismus" begegnet werden. Die Tat wird ebenfalls mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Das Mindeststrafmaß für gewerbsmäßiges Handeltreiben ist ein Jahr Freiheitsstrafe. Als Höchststrafe ist auch hier eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren vorgesehen. Geldstrafe kommt nicht in Betracht.

Auch der Versuch einer solchen Tat ist grundsätzlich strafbar. Die Strafzumessung richtet sich nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches.

Zu § 29 (Illegale Organentnahme)

Die Vorschriften über das Verbot des Organhandels und über den Organhandel sagen noch nichts über eine strafrechtliche Sanktion für den Fall einer Organentnahme ohne vorliegende Einwilligung aus. Das Gesetz stellt hier noch einmal auf das Vorliegen einer gültigen Einwilligungserklärung als zwingende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer jeden Transplantation ab. Es bleibt der Ärzteschaft allerdings unbenommen, sich im Kreis der Angehörigen nach einem etwaigen Vorhandensein eines Organspendeausweises zu erkundigen und um Übermittlung nachzusuchen.

Die Höchststrafe für einen Verstoß gegen diese Regelung ist durchgängig auf fünf Jahre Freiheitsstrafe festgesetzt. Einzig für den Fall der Entnahme eines Organs von einem Lebenden ohne den Befund des irreversiblen Ausfalls aller meßbaren Hirnfunktionen ist eine Strafverschärfung als Regelstrafrahmen in der Weise gegeben, als eine Geldstrafe entfällt und das Mindeststrafmaß sechs Monate Freiheitsstrafe beträgt. Wird entgegen § 2 ein unzulässiges Transplantat entnommen oder übertragen, ist eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorgesehen.

Auch der Versuch einer solchen Tat ist grundsätzlich strafbar. Die Strafzumessung richtet sich nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches.

Für den besonders schutzwürdigen Fall der illegalen Organentnahme ist die Tat auch im Falle fahrlässigen Handelns unter Strafe gestellt. Die Vorschrift ist als Offizialdelikt ausgestaltet; die Verfolgung der Tat unterliegt mithin keinem Antragserfordernis. Der Strafrahmen lehnt sich an die Vorschriften der fahrlässigen Körperverletzung sowie der Störung der Totenruhe (§§ 230, 168 StGB) an.

Zu § 30 (Weitere Strafvorschriften)

Das Gesetz stellt eine unbefugte Offenbarung sowie die Weitergabe und Nutzung personenbezogener Daten über den gesetzlich definierten Zweck hinaus unter Strafe. Da eine Verletzung des Datengeheimnisses mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden kann, ist der strafrechtliche Schutz gegeben, zumal sämtliche beteiligten Personen durch die Vorschrift erfaßt sind. Auch eine unerlaubte Reanonymisierung der Daten ist unter Strafe gestellt. Über die Strafvorschrift des § 203 StGB hinaus ist damit auch eine Verwendung der persönlichen Daten ohne ihre Offenbarung strafbar.

Zu § 31 (Bußgeldvorschriften)

Verschiedene Verstöße gegen dieses Gesetz werden als Ordnungswidrigkeit geahndet. Mit einer Geldbuße bis zu 100 000 DM muß rechnen, wer ein vermittlungspflichtiges Organ außerhalb eines Transplantationszentrums mit den strengen in § 23 genannten Anforderungen überträgt (Nummer 1) oder eine solche nicht zugelassene Einrichtung zur Übertragung vermittlungspflichtiger Organe betreibt oder betreiben läßt (Nummer 2). Diese Regelungen dienen dem besonderen Schutz der organempfangenden Personen. Zum einen wird die Qualitätssicherung der medizinischen und psychologischen Betreuung gesichert, zum anderen wird einer Umgehung der organisationsrechtlichen Vorschriften entgegengewirkt, die der Verteilungsgerechtigkeit bei der Organvergabe dienen. Eine Geldbuße bis zu 10 000 DM ist vorgesehen, wenn ein Verstoß bei der Aufzeichnungspflicht der gesetzlich zu erhebenden medizinischen Befunde im Falle des irreversiblen Ausfalls der Hirnfunktionen sowie des irreversiblen Herz- Kreislausstillstandes vorliegt (Nummer 3) oder die Organübertragung entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ordnungsgemäß dokumentiert wurde (Nummer 4). Ebenfalls mit einer Geldbuße bis zu 10 000 DM wird belegt, wer gegen die Aufbewahrungsfrist der Daten nach § 26 dieses Gesetzes verstößt.

Zu Artikel 2 (Änderung des Strafgesetzbuches)

§ 5 des Strafgesetzbuches, Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter, wird durch dieses Gesetz erweitert. Nach der neu eingefügten Nummer 15 ist zukünftig für von Deutschen auch im Ausland begangener Organhandel sowie eine illegale Organentnahme, §§ 28, 29 des Transplantationsgesetzes, das deutsche Strafrecht grundsätzlich anwendbar. Auf eine Eingrenzung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts für diejenigen Deutschen, die ihre Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, wurde verzichtet. Dies ist im Hinblick auf die bekannte prekäre Situation des Akquirierens und des Umgangs mit Organen in und aus Drittweltländern geboten.

Zu Artikel 3 (Übergangsregelung)

Die Übergangsregelung sieht generell den Fortbestand geltender Vereinbarungen auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes vor, bis diese durch Vertrag oder Rechtsverordnung im Sinne dieses Gesetzes ersetzt werden. Diese Vorschrift bezieht sich insbesondere auf die in §§ 21 und 22 vorgesehenen vertraglichen Vereinbarungen in bezug auf die Koordinierungs- und Vermittlungsstelle.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Das Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündigung in Kraft. Außer Kraft treten gleichzeitig die bisher geltenden rechtlichen Regelungen wie die Verordnung über die Durchführung von Organtransplantationen sowie die Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Durchführung von Organtransplantationen.

07.11.1995

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