Stellungsnahme von Herrn XY* zur Nichtteilnahme bei einer
Explantation aus persönlicher, religiöser, ethischer und moralischer
Überzeugung.
*Name ist mir bekannt und wurde zum Schutz des Pflegers verfremdet. Zusätzlich soll vermieden werden, dass ein Rückschluß auf Patienten bzw. die Klinik möglich wird.
Ich habe vor ca. 3 Wochen, die Teilnahme an einer Explantation als OP-Pfleger, verweigert. Ich wurde zweimal aufgefordert, in den OP-Saal zu gehen, obwohl noch ca. 20 andere Schwestern und Pfleger in der Frühdienstbesprechung anwesend waren. Es ist von der OP-Leitung nicht gefragt worden, ob jemand freiwillig zur Explantation möchte.
14 Tage nach der Verweigerung ist meiner Bereichsleitungsschwester eingefallen, daß es eine Arbeitsverweigerung sein könnte und meldete den Fall, der Pflegedienstleitung.
Daraufhin kam es zu einem Gespräch, mit dem Ergebnis, daß es Arbeitsverweigerung war. Um arbeitsrechtliche Schritte einleiten zu können mußte ich eine schriftliche Stellungsnahme über die Verweigerung, aus meinen religiös-ethisch-moralischen Beweggründen, abgeben. Diese soll einer Kommission vorgelegt werden, um zu prüfen, ob mein Verhalten arbeitsrechtlich akzeptiert werden kann oder nicht.
Meine Hauptbegründung lege ich in meinen religiösen Glauben und Überzeugung.
Ich möchte meine Stellungsnahme veröffentlichen, mit der Frage:
"Darf man einen Menschen nötigen oder zwingen, gegen seinen Glauben zu handeln?" Vor allem, wenn diesen Menschen bewußt ist, daß ein Aortenschnitt zur Ausblutung, einer Tötung gleichkommt?
Stellungsnahme von Herrn XY* zur Nichtteilnahme bei einer
Explantation aus persönlicher, religiöser, ethischer und moralischer
Überzeugung.
*Name ist mir bekannt und wurde zum Schutz des Pflegers verfremdet. Zusätzlich soll vermieden werden, dass ein Rückschluß auf Patienten bzw. die Klinik möglich wird.
Die Stellungsnahme bezieht sich auf meine persönlichen und intimsten
Gefühlen, Empfindungen, Wahrnehmungen und Erkenntnissen und können nicht auf
andere Personen übertragen werden.
Ich persönlich, lehne die Transplantationsmedizin ab, da ich die
Vorgehensweise, beginnend mit der Hirntoddefinition bis zur
Organtransplantation als unchristlich, unethisch und unmoralisch empfinde.
Aus diesem Grunde erzeugt eine Teilnahme an einer Organexplantation im
innersten meiner Seele Ekel, Angst und nachhaltige Schuldgefühle, da aus meiner
Sicht das Tötungsverbotstabu eklatant missachtet wird.
Ich sehe einen hirntoten Patienten nicht als Leichnam, sondern als sterbenden
Menschen, weil sein zentrales Nervensystem noch intakt ist und reagiert.
Für mich ist erst der Herztod der Zeitpunkt des abgeschlossenen
Sterbeprozesses, da er auch die sinnlich wahrnehmbaren Todeszeichen
aufweist.
Bei einer Explantation wird meines Erachtens der Sterbevorgang unterbrochen
und der Sterbezeitpunkt vom Chirurgen festgesetzt, z.B. bei einen nicht
brauchbaren Herzen, wird der Patient durch einen Schnitt in die Aorta zum
ausbluten gebracht. Nach meinem Verständnis ist dieser Vorgang kein Sterben
sondern Töten.
Bei der Mitarbeit solchen Geschehens, wird bei mir das Tötungsbewußtsein
mobilisiert mit weittragenden und negativen Folgen für meinen gesamten
Organismus, die vom existentiellem Schuldbewußtsein ausgelöst werden. Um meine
Gewissenskonflikte zu bearbeiten bedarf es Wochen und manchmal Monate, obwohl
ich ein normal denkender und gesunder Mensch bin.
Falls die Explantationsoperation Recht bekommen sollte, sehe ich dies trotz
allem, im Lichte gesehen, als einen aggressiven und zerstörerischen Akt der
Leichenschändung.
Hauptbegründung aus meiner persönlichen, religiösen Sicht und
Überzeugung (Glaube).
Aus religiösen - ethischen und moralischen Beweggründen eine
Organexplantation abzulehnen ist für mich die Tatsache, dass ein Mensch aus zwei
Hauptkomponenten besteht - Körper und Seele.
Der Körper alleine ist nicht lebensfähig, die Seele hingegen ist unsterblich.
Erst durch die Lebensenergie der Seele, die jede einzelne Zelle oder
Zellverbände des Körpers beständig durchströmt und durchpulst und somit auch mit
ihren Eigenschaften programmiert, wird der Körper am Leben erhalten.
Bei einem normalen Sterbeprozess verlässt die, "in dieser Phase höchst sensible
und schmerzempfindliche Seele", langsam und Schritt für Schritt den Körper.
Unstrittig ist dabei auch, dass der Stoffwechsel in den Körperzellen noch eine
Weile weiterläuft, wenn der Mensch eigentlich schon tot ist, d.h. schon für tot
erklärt wurde, während er aber immer noch stirbt.
In dieser Zeit findet im Bewusstsein des Sterbenden zumeist das Ablaufen des
Lebensfilms statt, was von der Seele höchste Aufmerksamkeit verlangt. In dieser
Phase sollte keine Störung die Seele behindern. Denn auch jetzt kann sie z.B.
durch Bitte um Vergebung noch manches in Ordnung bringen, obwohl es ihr
sterbender Körper nicht mehr ausdrücken kann.
Erst nach dieser Phase, wenn das Herz von selbst stehen bleibt, ist der
Mensch tot, da sich die Seele vollständig vom materiellen Körper getrennt
hat.
Für mich sind Hirntote in diesem Sinne noch nicht tot, da das zentrale
Nervensystem noch arbeitet und zwar solange wie das Herz noch schlägt.
Der Mensch ist also noch im Sterbeprozess.
Bei einer künstlichen Lebensverlängerung kann sich die Seele nicht endgültig
vom Körper lösen und kann auch nicht in den für sie bestimmten Bereich in den
jenseitigen Reichen eingehen und zwar solange nicht, wie auch ihre entnommenen
Organe noch in anderen Personen weiterleben.
Vom schmerzhaften und grauenvollen miterleben der Ausschlachtung ihres
Körpers abgesehen, kann die Seele, solange Organe von ihr, die ihre Schwingungen
und ihre Programme tragen am Leben sind, unermessliches Leid erfahren.
Bin ich Mitarbeiter bei einer Organentnahme, so lade ich eine Schuld auf
meine eigene Seele unter der ich je nach Schuldanteil auch zu leiden habe wenn
meine Stunde gekommen ist.
Das kann nicht mein Wille sein und weil die Willensfreiheit sowie die Würde
der Menschen im Grundgesetz geschützt ist, möchte ich auch davon Gebrauch machen
dürfen.
Für mich hat ein Mensch das Recht auf ein Sterben in Würde, dass bei einer
Explantation, nach meiner Überzeugung, mit Sicherheit nichts zu tun hat.
Für mich sind die ethischen und moralischen Grundregeln der Krankenpflege des
Weltbundes für Krankenschwestern/Krankenpfleger (ICN), Grundlage meines
beruflichen Handelns.
Die Vorbereitung auf den Tod und die Begleitung des Sterbenden gehören zu den
Berufsaufgaben der Pflegenden aber sicherlich nicht die Mittäterschaft, einen
sterbenden Patienten auf brutalste und grausamste Weise zu töten.
Krankenschwestern/-pfleger, Kinderkrankenschwestern/-pfleger und
Altenpfleger/-innen sind die Berufsgruppen, die die meiste Zeit mit dem
sterbenden Menschen verbringen. Sie sind es vorrangig, die tröstend und
unterstützend die Angehörigen begleiten. Daher betrachtet ich es als eine
originäre berufliche Aufgabe, aufklärend und beratend zum Thema des Sinns und
der Vergänglichkeit des Lebens mitzuwirken und auch die Schwierigkeit,
insbesondere in der westlichen Wohlstandskultur, die Endlichkeit des Lebens auf
Erden zu akzeptieren. In Wahrheit ist das sterben im diesseits, eine Geburt im
jenseits.
Ich möchte nachdrücklich meine Loyalität zu meinem Arbeitgeber bekunden, nur
mit der einen Bitte, mich, von der mir empfundenen Schuldhaftigkeit mit all
seinen negativen Auswirkungen, unter die ich sehr leide, zu schützen und nur in
diesem einen Teilbereich, nicht mehr eingesetzt werde.
© Herr XY, Januar 2007
Autor ist mir bekannt.
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Autors