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Erfahrungsberichte zur Organentnahme


Erfahrungsberichte von Pflegekräften.


Die erste Organentnahme (Organexplantation) und wie eine Organspende abläuft

Pflegekraft A:

Pflegekraft A: „Das war ... in meinem ersten Nachtdienst und ich hab` schon recht früh Nachtdienst gemacht, nach zwei Monaten.

Ja, und dann war da plötzlich ja, Multiorganentnahme angesagt. Und ich natürlich von Tuten und Blasen keine Ahnung, was da nun auf mich zukommt. Und ja, ich war, im Prinzip war ich schon entsetzt, aber, na ja, irgendwie auch nicht. Weiß ich auch nicht."

R. Rotondo: "Worüber warst Du da entsetzt?"

Pflegekraft A: "Ja, daß man, den Vorgang an sich. Zuerst `nen normaler Mensch, der da liegt. Wo noch alles funktioniert, Herz und so was. Denn wird da alles entnommen und hinterher ist gar nichts mehr im Körper drin, praktisch. Außer Darm.

Also, das fand ich schon, ja schockierend. Aber, ich glaub man gewöhnt sich auch dran, ziemlich schnell

Man stumpf ab, denk ich mal, einfach....

Das find ich auch ein bißchen erschreckend so. .. Das man doch so ziemlich abstumpft mit der Zeit. In dem Beruf.“

R. Rotondo: "Das ist dir so gegangen im „Ort X?“

Pflegekraft A: „Ja, ja. Das ist mir selber aufgefallen, so. Also, wenn, wenn man .. Sag ich mal, man hatte einmal im Monat Nachtdienst und im Nachtdienst kommt das ja meistens. Und wenn man denn ... ja, weiß nicht, zweimal die Woche oder so was eine Multiorganentnahme hatte, nachts, denn ist das nicht so schlimm.

Aber, ich hatte einmal innerhalb von 24 Stunden drei Multiorganentnahmen und ... das hab ich, irgendwie ... so im Unterbewußtsein nicht verkraftet. ... Ich hab denn halt auch Albträume gehabt und so was alles.

Und dadurch kommt es dann zum Ausdruck, daß man vielleicht doch nicht so damit fertig wird. Ich denk mal, daß ist bei den meisten der Fall."

R. Rotondo: "Kannst Du das beschreiben?"

Pflegekraft A: "Also bei mir war das ja so, daß ich wirklich .. Albträume hatte und schweißgebadet aufgewacht bin. Ich hab davon geträumt, daß die Patienten noch gar nicht Tod sind. Das die denn, nachdem die Organe entnommen worden sind wieder (Abbruch sehr abrupt)

Zum Beispiel der eine Traum war, daß der Patient dann wieder, sich hingesetzt hat auf.. auf den OP-Tisch und uns allen die Zunge rausgestreckt hat. So´n Traum hatte ich. Also, das war .. irre. Nee, also da hab ich gedacht, nee .. das ist doch nicht so, ob das so richtig ist das Ganze?

Weil vorher denkt man nicht so darüber nach, würde ich sagen. Aber, wenn man .. denn nachher schon Albträume hat. Vorher denkt man sich, ach Gott, ist halt so ..."

Der Ablauf der Organentnahme

Pflegekraft A: "„Das ist eigentlich,.. zu Anfang ist das eigentlich noch ganz normal für einen.

Ja, man denkt schon dran, so nach dem Motto, in einer Stunde oder sowas ist der ... ja, sind die Organe entnommen und denn ist's vorbei für den, so denkt man, ne.

Und denn, meistens sind das ja auch ziemlich junge Leute noch, die da .. so Multiorganentnahmen bekommen. Und das ist schon `n bißchen schockieren, aber man verdrängt das in dem Moment, weil ..

Der Patient ist ja in dem Moment, wo er reinfährt .."

R. Rotondo: "Ja."

Pflegekraft A: "Eigentlich ja lebt er noch, so seh ich das ne.

Sichtbar lebt er noch, also EKG und alles funktioniert, ... und in dem Moment ist das noch ganz normal. Es ist nur dann, im Laufe der OP, wenn denn so langsam alles.. rausgenommen wird. Und .. das Blut, denn ist kein Blut mehr im ... Patienten. .. und das wird ja alles, rausgelassen."

R. Rotondo: "Wie funktioniert das?"

Pflegekraft A: "Ja, denn wird, werden die Gefäße...

Zum Beispiel jetzt beim Herzen werden die, wird die Aorta und, und die anderen Gefäße werden dann durchtrennt und dann wird, ja, das Herz rausgenommen und der Sauger ... reingehalten.

Bis Blut leer ist, ne. ... Und denn wird, ja vor äh, das Herz wird ja immer zum Schluß rausgenommen, vorher werden die anderen Organe rausgenommen. Und dann ist eigentlich immer so der Zeitpunkt, wo ich denke, nu ist vorbei. Weil dann ist, Herz ist draußen, und das ist alles ganz leer im Bauch und denn steht man da und ah, denkt nur, kann nich` sein, ne.

Dann wird der auch, wird das nur noch zugenäht, so grob...“*

Pflegekraft B:

R. Rotondo: "Wie ist es in dem Moment, wo der reinkommt in den OP? Empfindest du den Spender als Leiche?"

Pflegekraft B: "Nein, da noch nicht. Es ist für mich, ist ein Intensivpati­ent, der wie jeder andere in den Saal reinkommt....

Ja das ist ja auch ziemlich hektisch alles. Also, daß da jetzt hier plötz­lich aus einem Spendepatienten eine Leiche, also .. jetzt wirklich einen Toter wird, das wird eigent­lich dann erst offensichtlich, wenn es ruhiger wird. Wenn die Hektik jetzt vorbei ist und die Organe weg sind, die Anästhesie tritt ab. So ganz offensichtlich ist es dann erst, wenn man die Abdeckung wegnimmt und wirklich eine Leiche auf `n Tisch..."*

*Quelle: Interviewaufnahmen, die Roberto Rotondo mit Pflegekräften für seine Diplomarbereit "Belastung und Bewältigung von Pflegekräften in der Transplantationsmedizin." im Studiengang Psychologie des Fachbereichs Psychologie der Universität Hamburg führte. Klassifikation: 428 Kri­sen, Konflikte, Reaktionen und 890 Spezielle Probleme der angewandten Psychologie. Hamburg, den 28. Juni 1996


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update: 10.01.2004    by: Roberto Rotondo