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Pressemeldungen zur Organspende


Organspende – Angehörigengespräche finden unter Zeitdruck statt

Pressemitteilung von: INFORMATIONSSTELLE TRANSPLANTATION und ORGANSPENDE

Der Zeitrahmen in der Organspende zeigt, dass Angehörigengespräche unter einem enormen Zeitdruck erfolgen. Sie werden nicht im Sinne der „Organspender“ oder der Angehörigen sondern ausschließlich im Hinblick auf potentielle Organempfänger geführt.

Hamburg, den 17.03.2005

Im Jahresbericht der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 2003 über die Tätigkeiten der einzelnen Transplantationszentren bzw. „Organspenderegionen“ veröffentlicht die DSO u.a. den „Zeitlichen Rahmen der Organspende“. Gemeint ist die Zeit von der Hirntodfeststellung bis zum Ende der Organentnahme. Dieser Zeitrahmen soll „angemessen“ und „ausreichend“ sein. Nach Angaben der DSO beinhaltet er:

Normalerweise können Ärzte die Angehörigen über die Diagnose „Hirntod“ erst nach endgültiger Hirntod-Feststellung informieren und um eine Organspende bitten, vorausgesetzt, es liegt keine schriftliche Organspendeerklärung vor. Anderenfalls würden sie sich dem Vorwurf aussetzen, dass sie einen schwer kranken Menschen nicht mehr optimal Behandeln und auf eine Organspende aus sind. Falls also die Ärzte korrekt vorgehen, überraschen die extrem kurzen „Prozesszeiten“ zwischen Hirntodfeststellung und dem Ende der Organentnahme.

Zieht man die OP-Zeiten und die Zeit für die Organisation der Organentnahme ab, verkürzen sich in allen Fällen die Prozesszeiten um mehrere Stunden. Die DSO behauptet also, dass diese Zeitfristen „angemessen“ und „ausreichend“ sind, um Angehörige in dieser Ausnahme- und Schocksituation über die Aussichtslosigkeit der Therapie zu informieren.

Können diese Zeiten „angemessen“ und „ausreichend“ für Angehörige sein, um die Information innerhalb dieser Fristen zu verarbeiten und zu akzeptieren? Eine Voraussetzung, um überhaupt alles weitere verstehen und entscheiden zu können.

Nachdem Angehörige die Aussichtslosigkeit der Intensivtherapie begriffen haben, müssen sie sich durch die Mediziner innerhalb dieser kurzen Zeitfristen über den Hirntod informieren lassen und als weitere Voraussetzung schaffen, dieses Theoriekonzept zu verstehen. Dann müssen sie das Hirntodkonzept mit ihrer Vorstellung über den Tod des Menschen im Allgemeinen, aber insbesondere den Tod des geliebten Menschen, der vor ihnen liegt und lebendig erscheint, abgleichen. Falls sie dazu den Hausarzt oder einen Seelsorger – vielleicht sogar beide – kontaktieren müssten, können sie das laut Angaben der DSO tun, um danach den Tod des geliebten Menschen zu akzeptieren, obwohl der Tod sinnlich nicht wahrnehmbar ist. Wenn sie dies in der kürze der Zeit geschafft haben, müssen sie sich noch mit der Frage nach einer Organentnahme befassen. Also damit, dass man den noch lebendig erscheinenden Körper zer- und verteilen wird. Zusätzlich müssen Angehörige verkraften, dass sie im Falle einer Zustimmung zu einer Organentnahme keine Sterbebegleitung im üblichen Sinne vollziehen können. Sie müssen sich auf der Intensivstation von einem Menschen verabschieden, der lebendig erscheint.

„Die Zeit für das Gespräch mit Angehörigen ist selbstverständlich nicht limitiert“, behauptet die DSO in ihrem Jahresbericht 2003.

Der in 2003 vollzogene Zeitrahmen zwischen Hirntoddiagnostik und dem Ende (!) der Organentnahme spricht dagegen.

Warum dieser Zeitdruck? Es ist durchaus möglich, „Hirntote“ in ihrem Zustand länger als einen Tag zu behandeln. Bei vielen „hirntoten“ Patienten soll der Herzstillstand, nach Angaben der DSO, innerhalb von einer Woche nach Eintritt des Hirntodes erfolgen. Allerdings gibt es längere Weiterbehandlungszeiten nach Eintritt des Hirntodes:

Die Intensivtherapie kann nicht in jedem Fall von „Hirntod“ so lange hinausgezögert werden und es besteht die Gefahr, dass sie auf Dauer die Organe der Organspender schädigt. Allerdings zeigen Fachveröffentlichungen, dass Überlebenszeiten von „Hirntoten“ von einer Woche über mehrere Monate bis hin zu einem Jahr und länger, durchaus öfter vorkommen. Solche Studien sind in Deutschland unmöglich durchzuführen. Schon allein aus dem Grund, dass über 90 Prozent aller Organentnahmen innerhalb von 24 Stunden erfolgt sind. Hirntote bei denen keine Einwilligung zur Organspende vorliegt, werden nicht intensivmedizinisch weiterbehandelt. Ihre Weiterbehandlung wird nicht finanziert, da sie als Tote gelten, die nicht mehr krankenversichert sind.

Da es also durchaus möglich wäre, Hirntote länger als 24 Stunden weiter zu behandeln, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb so viel Zeitdruck auf Angehörige ausgeübt wird.

Die Aussagen der DSO, dass die Angehörigengespräche zeitlich nicht limitiert werden und der Zeitrahmen für die Gespräche „angemessen“ und „ausreichend“ sei, haben eher den Charakter von Werbesprüchen. Die in 2003 praktizierten schnellen Prozessabläufe in der Transplantationsmedizin lassen vermuten, dass die Gespräche mit Angehörigen nicht so verlaufen, wie es die DSO oder das BMG vorgeben. Um Angehörige in dieser Situation zu einer Organspende zu bewegen, werden Ärzten, Pflegekräften und Transplantationskoordinatoren in Fortbildungen (DONOR ACTION und/oder European Donor Hospital Education Programm) geschult, die sogar von der Pharmaindustrie gesponsert werden.

INFORMATIONSSTELLE
Transplantation und Organspende
Roberto Rotondo
www.transplantation-Information.de

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update: 17.03.2005    by: Roberto Rotondo