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Bundestagsdrucksachen und Plenarprotokolle zur Organspende


Deutscher Bundestag: Drucksache 13/8028 vom 24.06.1997

Änderungsantrag

der Abgeordneten Eckart von Klaeden, Dr. Wolfgang Götzer, Hermann Gröhe, Hubert Hüppe, Cornelia Schmalz-Jacobsen, Dr. Dietrich Mahlo, Rudolf Meyer (Winsen), Dr. Susanne Tiemann, Dr. Jürgen Warnke

zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.

- Drucksachen13/4355, 13/8017 -

Entwurf eines Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz - TPG)

Der Bundestag wolle beschließen:

1. § 4 wird wie folgt gefaßt:

"§ 4 Organentnahme nach Befragung anderer Personen

(1) Liegt dem Arzt, der die Organentnahme vornehmen soll, weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch des möglichen Organspenders vor, ist dessen nächster Angehöriger zu befragen, ob ihm von diesem eine Erklärung zur Organspende bekannt ist. Die Entnahme ist unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 und Satz 2 bis 4 nur zulässig, wenn ein Arzt den Angehörigen über eine in Frage kommende Organentnahme unterrichtet und dieser ihr zugestimmt hat; dabei ist der Wille des möglichen Organspenders maßgeblich. Die Entnahme ist unzulässig, wenn dem nächsten Angehörigen keine wesentlichen Anhaltspunkte bekannt sind, die auf eine Zustimmung des möglichen Organspenders zur Entnahme schließen lassen. Der Arzt hat den Angehörigen hierauf hinzuweisen. Der Angehörige kann mit dem Arzt vereinbaren, daß er seine Erklärung innerhalb einer bestimmten vereinbarten Frist widerrufen kann.

(2) Nächste Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind in der Rangfolge ihrer Aufzählung

1. Ehegatten,

2. volljährige Kinder,

3. Eltern oder, sofern der mögliche Organspender zum Zeitpunkt einer Feststellung gemäß § 3 Abs.1 Satz 1 Nr.2 oder 3 minderjährig war und die Sorge für seine Person zu dieser Zeit nur einem Elternteil, einem Vormund oder einem Pfleger zustand, dieser Sorgeinhaber,

4. volljährige Geschwister,

5. Großeltern.

Der nächste Angehörige ist nur dann zu einer Erklärung nach Absatz1 befugt, wenn er in den letzten zwei Jahren zu dem möglichen Organspender persönlichen Kontakt hatte. Der Arzt hat dies durch Befragung des Angehörigen festzustellen. Bei mehreren gleichrangigen Angehörigen genügt es, wenn einer von ihnen nach Absatz1 beteiligt wird; es ist jedoch der Widerspruch eines jeden von ihnen beachtlich. Ist ein vorangiger Angehöriger innerhalb angemessener Zeit nicht erreichbar, genügt die Beteiligung des nächsterreichbaren nachrangigen Angehörigen. Dem nächsten Angehörigen steht eine volljährige Person gleich, die dem möglichen Organspender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahesteht; sie tritt neben den nächsten Angehörigen.

(3) Hatte der mögliche Organspender die Entscheidung über eine Organentnahme einer bestimmten Person übertragen, tritt diese an die Stelle des nächsten Angehörigen.

(4) Der Arzt hat Ablauf, Inhalt und Ergebnis der Beteiligung der Angehörigen sowie der Personen nach Absatz 2 Satz 6 und Absatz 3 aufzuzeichnen. Die Personen nach den Absätzen 2 und 3 haben das Recht auf Einsichtnahme."

Folgeänderungen

2. § 3 Abs. 2 Satz 1 wird wie folgt gefaßt:

"Der Arzt hat den nächsten Angehörigen (§ 4 Abs. 2 Satz 1) und eine Person nach § 4 Abs. 2 Satz 6 über die beabsichtigte Organentnahme zu unterrichten."

3. § 5 Abs. 2 Satz 4 und 5 werden wie folgt gefaßt:

"Dem nächsten Angehörigen sowie den Personen nach § 4 Abs. 2 Satz 6 und Abs. 3 ist Gelegenheit zur Einsichtnahme zu geben. Sie können eine Person ihres Vertrauens hinzuziehen."

4. In § 14 Satz 1 werden nach dem Wort "Aufzeichnungen" die Wörter" über die Beteiligung nach § 4 Abs. 4," eingefügt.

Bonn, den 24. Juni 1997

Eckart von Klaeden, Dr. Wolfgang Götzer, Hermann Gröhe, Hubert Hüppe, Cornelia Schmalz-Jacobsen, Dr. Dietrich Mahlo, Rudolf Meyer (Winsen), Dr. Susanne Tiemann, Dr. Jürgen Warnke

Begründung

Zu § 4

Zu Absatz 1

Hat eine Person eine Erklärung zur Organspende (§2 Abs.2) abgegeben, ist dieser erklärte Wille, sofern er bekannt ist, strikt zu beachten und allein dafür maßgeblich, ob und ggf. in welchem Umfang eine Organentnahme zulässig ist, wenn die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Deshalb schreibt Satz1 vor, daß, falls dem Arzt weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch des möglichen Organspenders (z.B. dokumentiert auf einem Organspendeausweis) vorliegt, durch Befragung des nächsten Angehörigen des möglichen Organspenders festzustellen ist, ob ihm von diesem eine Erklärung zur Organspende bekannt ist. Der Angehörige ist verpflichtet, auf Befragen eine ihm bekannte Erklärung des möglichen Organspenders zur Organspende mitzuteilen, d.h. als Zeuge zu bekunden oder als Bote zu übermitteln, damit dem Willen des möglichen Organspenders entsprochen wird. Ist eine erklärte Einwilligung oder ein erklärter Widerspruch feststellbar, richtet sich die Zulässigkeit des Eingriffs nach §3.

Erst nachdem sich der Arzt vergewissert hat, daß auch dem nächsten Angehörigen eine solche Erklärung nicht bekannt ist, und er den Angehörigen in einem Gespräch über die Art des beabsichtigten Eingriffs und den Umfang der beabsichtigten Organentnahme unterrichtet hat, darf er nach Satz2 die Organentnahme unter der Voraussetzung vornehmen, daß ihr der Angehörige zugestimmt hat.

Satz 3 stellt klar, daß für den nächsten Angehörigen dabei der Wille des möglichen Organspenders maßgeblich bleibt, d.h. die zuvor geäußerte Überzeugung und andere wesentliche Anhaltspunkte, die die Einstellung des möglichen Organspenders zur Frage einer Organspende erschließen lassen. Maßgeblich ist die Kenntnis des nächsten Angehörigen zum Zeitpunkt seiner Entscheidung. Fehlt es an diesen Anhaltspunkten ist eine Organentnahme unzulässig. Im Falle der Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Stillstandes von Herz und Kreislauf (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) kann eine Entnahme analog den geltenden Bestimmungen zur Obduktion erfolgen, wenn der nächste Angehörige nach ethisch verantwortbarem Ermessen im Rahmen seines Totensorgerechts einwilligt. Satz 4 gibt dem nächsten Angehörigen in Übereinstimmung mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen die Möglichkeit, eine Bedenkzeit zu vereinbaren.

Zu Absatz 2

Satz 1 legt den Kreis der nächsten Angehörigen und die Rangfolge, in der sie zur Entscheidung berufen sind, fest. Hat ein möglicher Organspender noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet und keine wirksame Erklärung zur Organspende (§ 2 Abs. 2) abgegeben, sind in der Regel die Eltern zur Entscheidung über eine mögliche Organentnahme berufen. War nur ein Elternteil Sorgeinhaber, ist dieser entscheidungsbefugt. Ist den Eltern die Personensorge entzogen worden, hat der Arzt den Vormund oder Pfleger zu unterrichten; in diesem Fall steht den Eltern auch kein nachrangiges Entscheidungsrecht über die Organentnahme bei ihrem Kind zu. Nach § 2 Abs. 2 kann der Widerspruch vom vollendeten vierzehnten Lebensjahr, die Einwilligung und die Übertragung der Entscheidung vom vollendeten sechzehnten Lebensjahr an erklärt werden.

Satz 2 begrenzt den Kreis der entscheidungsberechtigten Angehörigen auf solche Angehörige, die einen erklärten oder einen nach den Umständen zu vermutenden Willen des möglichen Organspenders aufgrund ihres persönlichen Kontakts mit diesem in jüngerer Zeit kennen oder erschließen können und damit in der Lage sind, eine Entscheidung im Sinne des möglichen Organspenders zu treffen. Nach Satz 3 hat der Arzt das Vorliegen dieser Voraussetzung durch Befragen des Angehörigen festzustellen. Eine darüber hinausgehende Nachforschungspflicht trifft den Arzt nicht.

Satz 4 stellt klar, daß bei mehreren in der Rangfolge gleichstehenden Angehörigen die Unterrichtung eines von ihnen genügt. Die Unterrichtung etwaiger weiterer Angehöriger obliegt dann nicht dem Arzt, sondern dem unterrichteten Angehörigen. Dieser hat die Erklärung nach Satz1 zu treffen. Eine Organentnahme ist danach zulässig, wenn ihr der unterrichtete Angehörige nach dem Verfahren des Absatzes1 zugestimmt und keiner der gleichrangigen Angehörigen widersprochen hat. Entsprechendes gilt im Falle des Satzes5, solange ein vorrangiger Angehöriger nicht erreichbar ist. Die zeitliche Grenze, von der an die Unterrichtung des nächsterreichbaren, in der Rangfolge nachgehenden Angehörigen erfolgen darf, ist insbesondere danach zu beurteilen, wie lange nach der Feststellung des Hirntodes die betreffenden Organe noch transplantierfähig entnommen werden können.

Die in Satz 6 bezeichnete Person ist neben dem nächsten Angehörigen zur Entscheidung über eine mögliche Organentnahme berufen. Sie wird hinsichtlich der Erklärung nach Absatz1 in Verbindung mit Absatz2 Satz4 und 5 dem nächsten Angehörigen gleichgestellt, da sie einen Willen des möglichen Organspenders aufgrund ihrer besonderen persönlichen Verbundenheit ebenfalls kennen oder erschließen kann und je nach den Lebensumständen des möglichen Organspenders möglicherweise sogar eher als der nächste Angehörige erreichbar sein kann. Insoweit kommt neben einem Verlobten z.B. eine Person in Betracht, die mit dem möglichen Organspender im Rahmen einer auf Dauer angelegten - d.h. nicht nur befristeten oder zufälligen - häuslichen Lebensgemeinschaft verbunden war. Ein vergleichbares enges persönliches Verhältnis kann auch zwischen in räumlicher Trennung lebenden Personen bestehen, wenn die Bindung über einen längeren Zeitraum gewachsen ist. Indiz für eine besondere Verbundenheit kann für den Arzt insbesondere die Begleitung des Sterbenden im Verlauf der vorangegangenen ärztlichen Behandlung sein. Die persönliche Verbundenheit kann sich darüber hinaus auch anhand anderer offenkundiger Tatsachen erweisen, wie z.B. durch ein enges Freundschaftsverhältnis mit häufigen und engen persönlichen Kontakten über einen längeren Zeitraum.

Hat der mögliche Organspender keine nächsten Angehörigen oder keine diesen nach Satz 6 gleichgestellte Person oder ist keine dieser Personen erreichbar, so ist eine Organentnahme unzulässig. Absatz3 bleibt hiervon unberührt.

Zu Absatz 3

Die Regelung ist Ausfluß des Selbstbestimmungsrechts. Ist die nach § 2 Abs. 2 benannte Person innerhalb einer angemessenen Frist nicht erreichbar, lehnt sie die Übertragung der Entscheidungsbefugnis ab oder ist sie inzwischen verstorben, tritt an ihre Stelle der nächste Angehörige nach Absatz 2 und ggf. die Person nach Absatz2 Satz6, es sei denn, nach dem erklärten Willen des möglichen Organspenders soll in diesen Fällen keine andere als die benannte Person entscheidungsbefugt sein; dann ist eine Organentnahme unzulässig.

Zu Absatz 4

Die Pflicht zur Dokumentation nach Satz 1 dient der transparenten Verfahrenssicherung. Satz 2 dient der Transparenz. Ein Recht zur Einsichtnahme haben auch Personen nach den Absätzen 2 und 3, die an der Erklärung in dem Verfahren nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 4 und 5 nicht beteiligt waren.

24.06.1997

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update: 10.01.2004    by: Roberto Rotondo