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Stellungnahmen zum Transplantationsgesetz bzw. zu den Entwürfen zum Transplantationsgesetz


Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen e. V (ADS) von 1996.

Zum Entwurf eines zukünftigen Transplantationsgesetzes und den Entwürfen eines Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz, TPG) und zu ergänzenden Anträgen Bundestagsdrucksachen 13/2926, 13/4114, 13/4368.13/587 und 13/4355.

vom August 1996

Gesundheitsausschuss: Ausschussdrucksache 573/13

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen e.V. (ADS) ist ein Zusammenschluß derjenigen Pflegeverbände, die im Deutschen Caritasverband, im Diakonischen Werk der EKD oder im Verband der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) vertreten sind. Ihre Mitglieder fühlen sich vor dem Hintergrund ihrer christlich-humanitären Zielsetzung der Ehrfurcht vor dem Leben in besonderer Weise verpflichtet.

Die ADS nimmt zu den vorliegenden Gesetzesentwürfen in folgender Weise Stellung:

Grundsätzlich begrüßt es die ADS, daß Spende, Entnahme und Übertragung von Organen bundeseinheitlich per Gesetz geregelt werden sollen.

Es ist zu wünschen, daß eine solche gesetzliche Regelung bestehende Unsicherheiten bei der Bevölkerung aufheben und Transparenz bezogen auf die Organisation der Transplantationsmedizin herstellen kann. Dazu ist allerdings nach Inkrafttreten des Gesetzes eine breite Aufklärungs- und Informationspolitik erforderlich, die jedem Menschen die Möglichkeit einer bewußten, individuellen Entscheidung gibt.

Hinsichtlich des Problemaufrisses fehlt nach Auffassung der ADS beiden Gesetzesvorschlägen allerdings ein wesentlicher Gesichtspunkt: Der Aspekt der persönlichen Einstellung der beruflich an der Transplantation oder ihrer Vorbereitung beteiligten Personen wird in der Problemstellung ausgeblendet. Entsprechend bleibt er im Gesetz unberücksichtigt.

Nach Auffassung der ADS muß die Gewissensfreiheit der beruflich Beteiligten geachtet werden. Deshalb müssen persönliche Entscheidungen ausdrücklich vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt werden. Dieses zu überwachen, gehört nach Meinung der ADS zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle. Entsprechendes muß im Gesetz oder im Vertrag nach § 11. (4) bzw. § 21. (2) geregelt werden.

Nach Meinung der ADS sind zwei grundlegende Aspekte für die Glaubwürdigkeit des Gesetzes entscheidend:

Daher beschränkt sich die ADS in ihrer Stellungnahme im wesentlichen auf diese Gesichtspunkte.

Zur Definition des vollständigen, irreversiblen Hirnversagens:

Seit 1968 die Harvard-Kommission den Begriff "Hirntod" für das vollständige, irreversible Hirnversagen einführte, wurde er als das Eintreten des Todes verstanden und galt in der Intensivmedizin als Kriterium, welches das Abschalten der Beatmungsgeräte rechtfertigte und damit den für die menschlichen Sinne wahrnehmbaren Tod zuließ.

In gleicher Bedeutung wurde der Begriff bisher als Indiz dafür verstanden, den "Hirntoten" als Verstorbenen zu betrachten, dem Organe zur Übertragung auf einen anderen Menschen entnommen werden können.

Medizinisch-biologische Phänomene sowie ethische Diskussionen haben in jüngster Zeit jedoch Zweifel an dieser Definition aufkommen lassen und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Hirntod-Begriff erneut in Gang gesetzt.

Die noch in der Entwicklung befindliche Pflegeforschung ist bislang noch nicht in der Lage, einen wissenschaftlichen Beitrag zu dieser Frage zu leisten. Daher nimmt die ADS zum endgültigen, irreversiblen Hirnversagen wie folgt Stellung:

Wenn es unter Wissenschaftlern und demzufolge in der Bevölkerung Zweifel an der Gleichsetzung von Hirntod und Tod gibt, sollte diese Setzung nicht seitens des Gesetzgebers vorgenommen werden, da sie keine Chance hat, allgemein akzeptiert zu werden, sondern im Gegenteil ethische Einstellungen verletzt.

Daher unterstützt die ADS die Differenzierung der Organentnahme entsprechend dem Antrag der Abgeordneten Wodarg u.a. (Drucksache 13/4114), in dem deutlich zwischen Todesfeststellung anhand sicherer Todeszeichen und dem irreversiblen Hirnversagen unterschieden wird. Die Formulierung in diesem Antrag - wie auch im Gesetzentwurf der Abgeordneten Knoche u.a. und der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 13/2926), - verdeutlicht auch für medizinische Laien den Unterschied zwischen der Entnahme lebenswichtiger Organe und der Entnahme von Organteilen und Geweben, die noch Stunden nach Eintreten der sicheren Todeszeichen möglich sind.

Aus dieser differenzierten Betrachtungsweise ergibt sich auch die Position der ADS zur zweiten Frage:

Zustimmung zur Organentnahme

Die Zustimmung zur Entnahme von Organteilen oder Gewebe nach Feststellen der endgültigen allgemeinen Todeszeichen kann nach Meinung der ADS außer durch den Betroffenen, zu dessen Lebzeiten auch von dessen Angehörigen bzw. seinem Lebenspartner nach Eintreten des Todes erteilt werden.

Dagegen vertritt die ADS hinsichtlich der Entnahme lebenswichtiger Organe die Position. daß hier nur die sogenannte "enge Zustimmungslösung" möglich sein soll. Denn solange der Zeitpunkt der Endlichkeit des Lebens nicht wissenschaftlich eindeutig bestimmt werden kann. bleibt sie eine Frage der persönlichen Einstellung eines jeden Menschen.

In einer verbindlichen Setzung durch den Gesetzgeber muß nach Meinung der ADS die größtmögliche Akzeptanz angestrebt werden. Diese kann erzielt werden, wenn die Willenserklärung des Betroffenen (seine Zustimmung oder ausdrückliche Ablehnung) als Entscheidungskriterium für oder gegen eine Organentnahme ausschlaggebend ist. Diese Verantwortung kann nach Auffassung der ADS nicht auf Angehörige übertragen werden, weil die emotionale Verarbeitung des Sterbens ihres Angehörigen eine objektive Auseinandersetzung und Entscheidung im Sinne des Willens des Betroffenen kaum zuläßt.

Dagegen wird die Gewißheit, im Vermächtnis des Sterbenden zu handeln, auch für beruflich mit der Organentnahme oder deren Vorbereitung befaßten Personen (z.B. Pflegenden auf Intensivstationen, Operationsteams) eine deutliche psychische Entlastung bedeuten und ethische Bedenken verringern.

Dies gilt auch für die organempfangenden Personen. Für sie hat die bewußte Entscheidung des Organspenders zu seinen Lebzeiten die Bedeutung, das übertragene Organ als echte "Spende" akzeptieren zu können.

Im Falle von Kindern wird den Eltern oder Erziehungsberechtigten entsprechend Art. 6 Abs. 2 GG, die Verantwortung einer Entscheidung nicht zu nehmen sein. Es ist jedoch sicherzustellen, daß der zum Ausdruck gebrachte Wille des Kindes der Entscheidung der Eltern nicht entgegensteht.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen appelliert an alle an der Gesetzgebung Beteiligten, mit diesem Gesetz ein deutliches Zeichen dafür zu setzen, daß die durch das Grundgesetz geschützte Würde des Menschen sich auch auf den Schutz seines friedlichen Lebensendes erstreckt.

Gleichzeitig fordert sie dazu auf, es nicht beim Erlaß des Gesetzes zu belassen, sondern durch aufklärende Informationen und offene Diskussion verschiedener ethischer Standpunkte jedem Einzelnen die Chance zu einer individuellen Entscheidung zu seinen Lebzeiten zu geben.

Göttingen, im August 1996



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update: 20.04.2006    by: Roberto Rotondo