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Stellungnahmen zum Transplantationsgesetz bzw. zu den Entwürfen zum Transplantationsgesetz


Stellungnahme von BioSkop e.V

zur Anfrage vom Bundesministerium der Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit
(Geschäftszeichen: EB2-9510/91-1-3 312-4075/27)

zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates;

hier:

zum Entwurf eines Zusatzprotokolls über die Transplantation von Organen und Geweben menschlichen Ursprungs nebst eines Erläuternden Berichts.

Das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin wird bis zum heutigen Tag von Behindertenverbänden, Patienten- und Selbsthilfegruppen, Bürgerinitiativen, parlamentarischen Initiativen und vielen kirchlichen Einrichtungen abgelehnt. Auch zahlreiche Einzelpersonen, die in Wissenschaft, Recht und Medizin tätig sind, haben davon abgeraten, den Vertrag zu unterzeichnen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat in mehreren Expertisen nachgezeichnet, daß grundrechtliche Standards der Bundesrepublik mit der Konvention nicht vereinbar sind. Mehr als zwei Millionen Unterschriften wurden gesammelt, um der Politik deutlich zu machen, daß die Konvention auf keinen gesellschaftlichen Konsens gegründet ist. An diesen Protesten hat sich der Verein BioSkop e.V. nach Kräften beteiligt.

Die Bundesrepublik hat gerade aufgrund des breiten und sichtbaren Dissens die Bioethik-Konvention nicht gezeichnet. Insofern ist es befremdlich, daß nun Stellungnahmen zu einem Zusatzprotokoll angefordert werden, das nur von jenen Regierungen unterschrieben werden kann, die auch die Kern-Konvention akzeptierten. Sollen hier etwa - trotz offensichtlicher juristischer, politischer und ethischer Bedenken - neue Fakten geschaffen werden, die einer Akzeptanz der Konvention zuträglich sind? Und wird der Fahrplan für die europaweite Nivellierung nationaler Gesetze auch in der Bundesrepublik unbeeindruckt weiter verfolgt?

Trotz dieser grundsätzlichen Bedenken, Stellungnahmen für ein Zusatzprotokoll abzugeben, das gar nicht zur Diskussion stehen dürfte, möchten wir die Eckpunkte unserer Kritik zum angefragten Themenbereich Transplantation darlegen, in der Hoffnung, daß dies die politische Ablehnung der Europarats-Konvention bestärkt.


1) Die Logik der Ausweitung fremdnütziger Handlungen auf nichteinwilligungsfähige Menschen ist auch im Bereich der Organtransplantation abzulehnen.

Die Ausnahmeregelungen fremdnütziger Forschungen an Kindern, Geistigbehinderten, Altersdementen oder Schlaganfall-PatientInnen war und ist die Hauptkontroverse in der Diskussion um die Bioethik-Konvention - und zwar ethisch wie juristisch. Ethisch nicht zulässig sind Versuche mit Menschen, die die Dimension eines medizinischen Eingriffes nicht überblicken können, der nicht ihnen, sondern einem »Krankenkollektiv« oder «zukünftigen Generationen gilt. Auch verfassungsrechtliche Bedenken sprechen dagegen. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellte 1996 (27.08.1996, Reg.-Nr. WF III - 155/96) dazu fest: »Humanexperimente an einwilligungsunfähigen Personen verstoßen gegen die Menschenwürde, weil hierdurch der Mensch zum austauschbaren Objekt wird.« (S.3) In der Expertise vom Januar 1997 (27.01.1997, Reg.-Nr. WF III - 273/96) wird von gleicher Stelle zurecht bestätigt: »Wird ein fremdnütziges Experiment an einem Einwilligungsunfähigen dennoch durchgeführt, so ist diese Handlung (Ausnahme bilden Regelungen im Arzneimittelgesetz bei Kindern, Anm. d.Verf.) ... als Körperverletzungsdelikt gemäß §§ 223 ff. StGB strafbar.«

Gleiches gilt im Grundsatz für die Entnahme von Geweben, die fremdnützig ist. Auch wenn der oder die Empfänger/in Bruder oder Schwester sind, wie es sowohl die Kernkonvention als auch das Zusatzprotokoll vorsehen, ändert dies nichts an der Tatsache, daß die Organgeber/in (von Spender/in kann in diesem Zusammenhang keinesfalls gesprochen werden) als Mittel zum Zweck der »Heilung« anderer betrachtet wird.

Darüber hinaus gibt es hier eine unzulässige Ungleichbehandlung von Menschen, die als entscheidungs- und geschäftsfähig gelten und Menschen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Das deutsche Transplantationsgesetz stellt - zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes - hohe Anforderungen an die »Einwilligung des lebenden Spenders«. Die Gewebe- oder Organentnahme wird ausnahmslos daran geknüpft, daß »die Person volljährig und einwilligungsfähig ist.« Die nach »Landesrecht zuständige Kommission (muß) gutachterlich dazu Stellung (nehmen), ob begründete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Einwilligung in die Organspende nicht freiwillig erfolgt ...«

Diese gesetzlichen Voraussetzungen sind mit den Ausnahmeregelungen des Zusatzprotokolls im Blick auf einwilligungsunfähige Menschen nicht vereinbar. Daran ändert auch die - unserer Meinung nach - zynische Überschrift des betreffenden Artikel 13 »Schutz einwilligungsunfähiger Personen bei Organ- und Gewebeentnahmen« nichts.

Wenngleich es einige, kritikwürdige Einzelentscheidungen von Richtern in der Bundesrepublik gibt, die Knochenmarkspenden unter minderjährigen Geschwistern und mit Einverständnis des Sorgeberechtigten zuließen: dies darf nicht zum juristischen Normalfall und gar noch auf die Gruppe der Menschen mit geistiger Behinderung ausgeweitet werden. Die gesamte Konvention zuzüglich ihres Zusatzprotokolls zur Organtransplantation würde dieser Ausweitungslogik Tür und Tor öffnen.


2) Organentnahmen bei »Hirntoten«, die zu Lebzeiten einwilligungsunfähig waren, werden mit dem Zusatzprotokoll durch Verweis auf den »mutmaßlichen Willen« zur medizinischen Routine. So werden Menschen, die niemals eine Chance zur Entscheidungsfindung hatten, zu Organgebern. Nicht ihr Schutz, sondern Steigerung der Organentnahmen sind handlungsleitendes Motiv.

In den Erläuterungen zum Zusatzprotokoll, die zwar nicht rechtsverbindlich sind, aber die Ziele des Protokolls darlegen, heißt es unter Art. 16 P. 86: »Einer Person, die zu Lebzeiten nicht in der Lage war, ihre Einwilligung zu erteilen, dürfen Organe oder Gewebe entnommen werden, wenn die nach der Rechtsordnung erforderlichen Zustimmungen eingeholt worden sind.« (S. 30) Gleichzeitig wird unter P 88 angegeben: »Diese Einwilligung sollte nicht von der eigenen Einstellung der Angehörigen im Hinblick auf die Organ- oder Gewebespende abhängen ... Die Angehörigen werden lediglich nach dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person gefragt ...« Wie aber lassen sich von Angehörigen Anhaltspunkte im Blick auf eine Entscheidung ausmachen, deren Dimensionen vom Betroffenen nicht verstanden werden konnten?


3) Das Zusatzprotokoll zur Organtransplantation stellt eine internationale Vereinbarung dar, die allein der Ausweitung des Transplantationswesens, nicht aber dem Schutz Sterbender verpflichtet ist.

Das deutsche Transplantationsgesetz setzt trotz kontroverser Debatte und faktisch nicht umsetzbarer Verfahrensregeln den »Tod des Organspenders« mit dem »Hirntod« gleich - »dem Stand der medizinischen Wissenschaft« entsprechend. Durch die vorgeschriebene klinische Diagnostik werden Hirnstammreflexe getestet. Der gesetzlich postulierte Ausfall des gesamten Gehirns wird nicht geprüft.

Im Zusatzprotokoll der Bioethik-Konvention ist von »verstorbener Person« die Rede. In »Übereinstimmung mit der Rechtsordnung« wird der oder die Betroffene »zu Tode erklärt«. Mit dieser vagen Formulierung werden die in Europa unterschiedlichsten Regeln zur »Feststellung des Hirntodes« ohne Frage akzeptiert. Der »Tod« scheint weniger konsenspflichtig zu sein als die gesetzlichen Initiativen zur Förderung von Forschung und Transplantation. Die Begründungen des »Hirntodes« bleiben ebenfalls den nationalen Gesetzgebern vorbehalten, den bioethischen Diskussionen werden damit keinerlei Begrenzungen auferlegt. Sollten eines Tages Gesetzgeber verfügen, daß Menschen im »Koma« keine schützenswerten »Personen« mehr sind und nach fachmännischem Urteil der Transplantation zugänglich sein sollen, stünde dies nicht im Widerspruch zum Zusatzprotokoll.

Das deutsche Transplantationsgesetz läßt, trotz kontroverser Debatte, die Entnahmen bei gesunden Spendern auch außerhalb familiärer Bezüge zu. Die Ausweitung des Organhandels wird damit riskiert. Das Zusatzprotokoll bestätigt diese Regelung - und versieht das Vorgehen mit den Weihen eines Völkerrechtsvertrages.

Das deutsche Transplantationsgesetz propagiert die Aufklärung der Bevölkerung - und meint damit Werbung für Organspende. Das Zusatzprotokoll gibt diesem Werben internationale Legitimation und läßt durch einen eigens dafür formulierten Artikel 14 zur »Förderung der Organspende« an offensiver Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Eine anerkennende Berücksichtigung derjenigen, die aus moralischen oder religiösen Gründen einer Abgabe ihrer Organe nicht zustimmen, sucht man vergeblich.

Das Postulat der »gerechten Verteilung« ist im deutschen Transplantationsgesetz ebenso zu finden wie im Zusatzprotokoll. Die Verteilungskriterien sind nachweislich seit Jahren uneinheitlich und diffus. National wie international schweigt hier der Gesetzgeber - und überläßt es medizinischen Kommissionen, diese unlösbare Frage zu bearbeiten.

Das Zusatzprotokoll zur Konvention berücksichtigt akribisch alle möglichen, zukünftigen Entwicklungen. Einschränkungen sucht man auch hier vergeblich. Ob Übertragung infektiöser Krankheiten nach einer Kosten-Nutzen-Kalkulation (P. 40, S. 21), Wiederverwendung bereits einmal transplantierter Organe oder Organteile (P. 91-93), Organsplitting oder die »Lebendspende als (u.U.) vorzuziehende therapeutische Lösung« (P. 51), die AutorInnen des Zusatzprotokolls formulieren uneingeschränkt aus der Ermöglichungsperspektive.

Unser Fazit:
Kern-Konvention und Zusatzprotokoll tragen nicht zum »Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde« bei. Sie sind deshalb abzulehnen.

Essen, den 22. August 1999
BioSkop - Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften e.V.

Bochumer Landstr. 144a  ·  45276 Essen  ·  Tel. 0201/5366706



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