Versetzen Sie sich einmal in die Situation eines Kranken, dem der Arzt erklärt hat, er können nichts mehr für ihn tun, außer zu hoffen und zu beten, dass möglichst bald ein passender Organspender gefunden wird. Ich habe gläubige Christen erlebt, die für sich oder ihren geliebten Angehörigen - himmlischen Beistand erfleht haben - damit dieses Wunder geschieht. Ist das nicht absurd? Mit der Bibel und dem Gebetbuch auf dem Nachttisch, hofft man darauf, dass irgendwo anders ein Unfall passiert, bei dem ein gesunder Mensch umkommt, dessen Gewebedaten mit den eigenen übereinstimmen und dessen Angehörige dann auch noch als Spender gewonnen werden können. (Die meisten Unfallopfer sind junge Leute, für die Organspende bis dahin kein Thema war. Ältere Menschen sterben zumeist an irgendwelchen Krankheiten, Herzinfarkt, Krebs etc weshalb sie als Organspender, trotz Ausweis, nicht in Betracht kommen.) Die Wahrscheinlichkeit zu den wenigen Organsuchenden zu gehören, für die rechtzeitig das passende Organ gefunden wird, kommt fast schon einem Lottogewinn gleich.
Seit es grundsätzlich die Möglichkeit gibt, durch eine Organtransplantation eine zweite Chance bzw. eine Lebensverlängerung zu ermöglichen, traut sich kein Arzt, Kranke mit irreversiblen Organschäden in irgendeiner Weise auf das Sterben und den Tod vorzubereiten. Sterbevorbereitung und Begleitung erfahren nur Krebskranke und Aidspatienten. Im Umgang mit Dialysepatienten, Herzinsuffizienten und Leberzirrhotischen, ist dies kein Thema, nicht einmal für Krankenhausseelsorger. Wie der Teufel das Weihwasser meiden die meisten jeden Hinweis in diese Richtung. Untersuchungsbefunde, Medikamente etc., darüber tauscht man sich aus, die seelische Befindlichkeit wird höchstens insoweit angesprochen, als es darum geht, dem Kranken immer wieder Mut zu machen, durchzuhalten (bis das rettende Organ eintrifft). Ärzte und Schwestern fiebern nicht selten mit. Aufgrund der ständigen Beschäftigung mit medizinischen Gesundheitsdaten und körperlichen Reaktionen, geraten diese Patienten fast unweigerlich in einen Kreislauf der Selbstbezogenheit. Je länger sich die Krankheit hinzieht und je stärker sie den Kranken beeinträchtigt und bedroht, desto selbstbezogener sein Denken. Manche versuchen Gewissheiten zu erzwingen, andere lassen sich ohnmächtig treiben, fatalistisch in ihr Schicksal ergeben. Wieder andere reagieren unleidlich, überempfindlich oder verbittert, hier richtet sich das Aufgestaute nach Außen - Angehörige und Pflegekräfte sind davon besonders in Mitleidenschaft gezogen. Das Hingehaltenwerden (künstlich zurückgehalten, am Leben gehalten), das Auf und Ab zwischen Hoffnung und Rückschlag, bringt viele fast um den Verstand. Die Betreuung dieser Patienten stellt für die Pflegenden eine besondere Belastung dar. Einerseits sieht man ihre Not und versucht diese so gut als möglich zu lindern, andererseits stößt die selbstbezogene Leidenshaltung des Kranken jedoch auch ab. Abstumpfung gegenüber dem Leid welches man tagtäglich sieht, passiert nicht nur aus Selbstschutzgründen, auch die selbstbezogene "Unausstehlichkeit" vieler Kranken trägt dazu ihren Teil bei.
Insgesamt leiden unter der leidensverlängernden Medizin alle - außer vielleicht die Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Medizinbedarfindustrie, deren wirtschaftliches Wachstum nun einmal von der wachsenden Zahl chronisch Kranker abhängt. 4. tödliche Rettungsversuche "Es würde mich glücklich machen, jemanden ein neues oder unbeschwertes Leben zu ermöglichen.", sagt die Tagesthemensprecherin Anne Will. So dachte auch ich als medizinbegeisterte junge Krankenschwester. Damals hätte ich ohne zu zögern, einem geliebten Angehörigen eine Niere geopfert. Nach allem was ich im Laufe der Jahre jedoch gesehen und erkannt habe, lehne ich die Transplantationsmedizin inzwischen grundsätzlich ab. Sie ist dem Seelenheil der Betroffenen sowie dem Gemeinwohl abträglich, es ist eine Medizin in die falsche Richtung. Zudem erweckt sie Hoffnungen auf ein neues, unbeschwertes Leben, die sich in den allerwenigsten Fällen erfüllen. In den Medien wird das Thema hauptsächlich aus der Sicht der Ärzte dargestellt, die in ihrer Verzweiflung - weil sie sonst nichts mehr für den Kranken zu tun wissen - alle Hoffnung in die Transplantationsmedizin setzen. Zumeist entsteht dem Laien der Eindruck, als könne jedes gespendete Organ ein Menschenleben retten. Die immer noch sehr hohe Sterblichkeitsrate während bzw. an den Folgen einer fehlgeschlagenen Transplantation, findet wohlweislich keine Erwähnung. Zwar wird der Patient aufgeklärt über dieses Operationsrisiko, aber oft in einer Weise, dass er keine andere Alternative sehen kann, als dieses Risiko einzugehen. Die meisten Patienten und Angehörige leben wochen-, monate-, mitunter jahrelang in der Hoffnung, durch das Eintreffen eines Spenderorgans endlich von ihrem Leiden erlöst zu werden, anderenfalls in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren sterben zu müssen. Wenn dann der langersehnte Anruf kommt, heißt es: ab in die Klinik. Jetzt muss alles so schnell gehen, dass dem Betreffenden keine Zeit bleibt, um diese Entscheidung nochmals zu überdenken. So er erging es im vergangenen Jahr einem Mann aus meinem früheren Heimatort. Wegen seiner schweren Herzkrankheit wurde dieser Mann frühberentet und zog mit seiner Frau von der Stadt in das kleine Eifeldorf. Seine Krankheit sah ihm niemand an, zumal er ein geselliger Mensch war, der sich am Dorfleben aktiv beteiligte und kein großes Aufhebens von seiner Krankheit machte. Er ging spazieren, fuhr Auto und schmiedete Pläne. Eines Morgens hieß es dann zur großen Verwunderung aller: "Der ..... ist tot!" So nach und nach erfuhren die Leute, von seiner lange Zeit noch unter Schock stehenden Frau, wie es dazu kam. Sie erzählte, wie ein Arzt aus der Klinik in Hamburg, bei der ihr Mann auf der Liste stand, am ..... angerufen und erklärt habe, es sei ein passendes Herz für ihn da, er solle am besten sofort ein Taxi bestellen und kommen. Hals über Kopf sind die beiden dann los. In der Klinik angekommen, sei er dann sofort von allen möglichen Ärzten und Schwestern umringt worden, die Blut abgenommen, Geräte angeschlossen, Fragen gestellt und was nicht alles sonst noch an ihm gemacht haben. Schließlich wurde er in den Op-Trakt gefahren und seitdem habe sie ihn nicht mehr gesehen. Sie habe gewartet und gewartet und die ganze Zeit ein komisches Gefühl gehabt. Als dann nach einer unendlich langen Zeit der Arzt gekommen sei, habe sie ihm schon ansehen können, dass etwas schief gegangen sein muss. "Leider gab es eine unvorsehbare Komplikation, bei Ihrem Mann. Wir konnten ihn nicht retten.", so in etwa die bedauernde Mitteilung des Operateurs.So viel zur Kehrseite der angeblich lebensrettenden Medizin. Aber die Medizin lernt natürlich aus solchen Fällen. Lag die Sterblichkeitsrate vor 10 Jahren noch bei etwa 80%, überleben heute immerhin schon schätzungsweise vierzig von hundert Transplantierte diesen Eingriff länger als ein Jahr und zehn länger als fünf Jahre. Bei der Nierentransplantation sieht die Prognose mittlerweile zwar bereits günstiger aus, als bei Herz- und Lebertranplantationen, aber bei weitem nicht so, dass man sagen könnte jeder wäre anschließend geheilt. Von diesen Zahlen und diesem Risiko liest und hört die Öffentlichkeit nahezu nichts. Hier werden immer nur die vielleicht fünf Prozent der Fälle herangeführt, denen es nach diesem Eingriff deutlich besser geht. Dennoch leben auch diese in der ständigen Angst, das Organ könne wieder abgestoßen werden. Zeitlebens sind sie auf Medikamente angewiesen, die dies verhindern sollen und die ihrerseits so viele Nebenwirkungen haben, dass es weiterer Medikamente bedarf, um die Nebenwirkungen im Griff zu behalten. Als wirklich geheilt kann sich kein Transplantierter bezeichnen. Solche Eingriffe hinlassen Narben und Veränderungen, die früher oder später zu Folgekrankheiten führen. In keinem Falle konnte der Tod hierdurch verhindert werden, bestenfalls gelingt es ihn um einige Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte hinauszögern. Im oben geschilderten Falle hat der Eingriff den Menschen umgebracht. Todesursache: Operation! Hätte dieser Mann eine andere Entscheidung getroffen, würde er heute vermutlich noch genauso lebendig im Ort herumlaufen wie zuvor. Wäre die Transplantationsmedizin nie entwickelt worden, würde der größte Teil der bis heute bereits Transplantierten ein weniger abruptes oder qualvolles Ende genommen haben. Jemand der dieses Thema behandelt, sollte sich vorher einmal in den Kliniken anschauen, wie das in aller Regel abläuft - sowohl bei den Transplantierten als auch bei den Spendern. Ich hatte viele Jahre Einblick in drei große Universitätskliniken (Tübingen, Ulm und Heidelberg) und dort mit vielen SchwesternPflegern gesprochen. Wer es nicht mitgemacht hat, kann sich wohl kaum vorstellen was es bedeutet, junge hirntote Menschen zu pflegen, wissend das diese -wohldurchblutet, friedlich schlafend wirkenden Menschen - vom OP sofort in ein Kühlfach in der Pathologie geschafft werden (was in der Regel auch die Aufgabe des Pflegepersonals ist). Diese Mutter möchte ich sehen, die so über den Dingen steht, wie es Conny Copitzky, im Beitrag von Christine Holch, angeblich konnte. Normalerweise spielen sich ganz andere Gefühls-Dramen im Vorfeld und auch nachher ab. Die Autorin hätte wohl nie einen solch einseitigen Pro-Organspende-Artikel verfasst, hätte sie auch nur ein einziges Mal selbst am Bett eines tödlich verunfallten Organspenders oder eines mit schwersten Abwehrreaktionen kämpfenden Organempfängers gestanden und das Auf- und Ab von Hoffnung, Verzweiflung, Angst und Not hautnah miterlebt.
Befragen Sie doch einmal Ärzte und erfahrenen Pflegekräfte, wer von diesen einen Spendenausweis hat. Eigentlich müssten die Operateure hier mit gutem Beispiel vorangehen. Im Übrigen liegt es in der Natur der Sache, dass sich zum Transplantationsspezialisten vornehmlich solche Mediziner entwickeln, denen es besser als anderen gelingt, Gefühle zu verdrängen, die bei derart schwierigen Operationen stören. Stirbt ihr Patient, betrauern diese vor allem ihren eigenen Misserfolg. "Jedem Chirurgen bleiben Leute auf dem Tisch liegen. Auch Sauerbruch hat mit seinen Eingriffen mehr Kranke ins Jenseits befördert, als kuriert. Aber hätte er oder die vielen anderen Chirurgen nicht beharrlich weitergemacht, wäre die Chirurgie heute nicht das, was sie ist.", so die häufig gehörten Reaktionen hierauf. Tötung in Ausübung der Medizin, darüber verliert kaum einer ein Wort. Hingegen steigen viele Christen auf die Barrikaden, wenn es um Fragen der Sterbehilfe geht, wie sie kürzlich in Holland geregelt wurden. Man verspricht den Leidenden eine bessere Schmerztherapie, persönliche Begleitung und will für sie beten, damit sie ihren, durch die Medizin verursachten Leidensweg, so lange durchhalten, wie die Medizin Möglichkeiten sieht, den Körper am Leben zu halten.
Statt einer immer aggressiveren und risikoreicheren Medizin das Wort zu reden, plädiere ich für eine Medizin im Sinne Hippokrates: "Der Arzt sollte heilen und wo dies nicht möglich, wenigstens nicht schaden." Auch Jesus dürfte mit diesem Leitsatz eher einverstanden sein, als mit dem heute praktizierten Motto: "Der Arzt sollte keine noch so kleine Chance ungenutzt lassen, die das Erdenleben des Kranken verlängern könnte." Hinter dieser Haltung steckt wiederum unser materialistischer Zeitgeist, wonach jede Stunde Leben immer noch besser zu sein scheint, als der ewige Tod. Selbst gläubige Christen sind dieser Angst verfallen, denn auch unter diesen findet man viele, die alles medizinisch mögliche einfordern und sich an ihr bisschen Leben klammern, als wäre es alles was sie haben. Die Urknallgeschichte und die Evolutionstheorie, in der Gott und Himmel und Weiterleben nach dem Tod nicht vorkommen, zeigt spätestens auf dem Kranken- bzw. Sterbebett sichtbare Wirkung. Auf dem Sterbebett kann man die wirklich Gläubigen von den nur katholischen oder evangelischen zweifelsfrei unterscheiden. Denn hier heißt es Farbe bekennen. Ich für meinen Teil habe genug von all dem gesehen, um statt eines Organspendeausweises, eine Patientenverfügung zu verfassen, in der ich jede nicht heilende, nur leidensverlängernde medizinische Maßnahme ablehne. Sterben müssen wir früher oder später alle. Keine Religion hat je den Menschen geraten, sich an seine materiellen Besitztümer und seine sterbliche Hülle zu klammern. Alle Religions- und Weisheitslehrer definieren das Sterben als einen Lösungsprozess der Seele von der Materie, einen Übergang in einen anderen, einen geistigen Daseinszustand. Wie kein anderer hat Jesus demonstriert, dass wir keine Angst haben brauchen, dass wir nicht betteln und um Verlängerung unserer Erdenzeit kämpfen sollten, weil es nirgendwo schöner sein kann, als im Himmel.
Alles das wird zwar jeden Tag X-Mal gepredigt, aber wenn es ums Sterben geht, zeigen sich die frömmsten Christen nicht selten genauso erdverhaftet, wie jeder Ungläubige auch.
Sicher erinnern Sie sich noch an meine Stellungnahme zum Thema Werbung für den Glauben, wo es schwerpunktmäßig um die Frage der Überzeugungskraft der Kirche ging. Mit dem Artikel "Gesucht: Herzen, Nieren, Lebern", mit Johannes B. Kerner als Werbeträger auf der Titelseite, liefern Sie m.E. ein treffliches Beispiel dafür, wie sich selbst "Geistliche" vor weltliche Karren spannen lassen ohne dies überhaupt zu merken. Die Kirche brauchte keine Werbeplakate für den Glauben, wenn ihre Vertreter glaubwürdiger zu dem stehen würden, den sie als Erlöser und Vorbild propagieren. Stattdessen redet man einer Medizin das Wort, die den Tod zum ärgsten Feind erklärt hat, den es mit allen Mitteln zu besiegen gilt. Anstatt eine klare, unzweideutige Position in diesen Fragen zu beziehen, werden theologische Eiertänze aufgeführt. Wie kann denn das ganze Gerede vom Reich Gottes Zweifelnde überzeugen, wenn sich die Vertreter der Kirchen auf die Seite derer schlagen, die sich nichts besseres vorstellen können, als dieses armselige bisschen Leben hier auf Erden? "Wenn das alles sein soll, wofür wir leben, dann lohnte es nicht abends die Strümpfe aus und morgens wieder anzuziehen.", soll Bismarck einem Gelehrten geantwortet haben, der ihm weiszumachen versuchte, dass das Leben nur dem Zweck diene, gelebt zu werden. Liest man ihren Beitrag zur Organspende, könnte man den Eindruck gewinnen, als hätte auch für Sie das Leben nur diesen Selbstzweck. Mit keinem Wort wird auf die geistige Heimat hingewiesen, die den Menschen nach dem Tod erwartet. In diese Richtung wird kein einziger Funke Hoffnung vermittelt. Anstatt Auswege aus der Misere der Mangelware freiwilliger Organspenden zu suchen, sollten doch wohl besser Auswege aus der Transplantationsmedizin aufgezeigt werden. Wie kann ich als Christ oder wir als Kirche den Menschen Mut machen, auf diese problematische Methode kurzzeitiger Lebensverlängerung zu verzichten und die ihm noch verbleibende Zeit zur Vorbereitung auf seine "Heimreise" zu nutzen. Wer bis zuletzt in der Hoffnung auf ein neues Leben durch die Organspende lebt, stirbt in der Regel völlig unvorbereitet. Solange diese rein irdische Hoffnung genährt wird, ist für himmlische kein Platz. Adelheid von Stösser Internet: www.stoesser-standard.de Für die durch Links aufgerufenen Inhalte liegt die Verantwortung ausschließlich beim Betreiber der jeweiligen Homepage.