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Organspende & Organspender


Lebendspende bzw. Lebendorganspende


Informationen zum Näheverhältnis zwischen Lebendspender und Organempfänger

"Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen"

Roberto Rotondo (Hamburg), Psychologe und Krankenpfleger


Die persönliche Verbundenheit und Nähe zwischen "Organspender" und Organempfänger wurde für den Bereich der Lebendspende nicht hinreichend im Transplantationsgesetz (TPG) definiert.

Dieser Aspekt wurde für den Bereich der Einwilligung in die Organentnahme von sogenannten Hirntoten genauer definiert.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren muss ein persönlicher Kontakt zwischen dem potentiellen "Organspender" und seinem Angehörigen bestehen, damit ein Angehöriger in eine Organentnahme einwilligen darf, falls keine Einwilligung vom potentiellen "Organspender" vorliegt. Dies muss ein Arzt durch Befragung feststellen.

Auszug aus dem Transplantationsgesetz - TPG § 4:

"Organentnahme mit Zustimmung anderer Personen

...
(2) Nächste Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind in der Rangfolge ihrer Aufzählung

1. Ehegatte,
2. volljährige Kinder,
3. Eltern oder, sofern der mögliche Organspender zur Todeszeit minderjährig war und die Sorge für seine Person zu dieser Zeit nur einem Elternteil, einem Vormund oder einem Pfleger zustand, dieser Sorgeinhaber,
4. volljährige Geschwister,
5. Großeltern.
Der nächste Angehörige ist nur dann zu einer Entscheidung nach Absatz 1 befugt, wenn er in den letzten zwei Jahren vor dem Tod des möglichen Organspenders zu diesem persönlichen Kontakt hatte. Der Arzt hat dies durch Befragung des Angehörigen festzustellen."

Link zum Transplantationsgesetz

Das persönliche Näheverhältnis bei der Lebendspende

Das TPG gibt für diesen Fall keine Zeitdauer und Qualität der Beziehung zwischen Lebendspender und Organempfänger an.
Hinweise zur Auslegung des Begriffs der "besonderen persönlichen Verbundenheit" finden sich hier:

Verfassungsbeschwerde gegen das Transplantationsgesetz

BVerfG, 1 BvR 2181/98 vom 11.8.1999, Absatz-Nr. (1 - 93),

"Den Beschwerdeführern ist zwar zu konzedieren, daß das Tatbestandsmerkmal der "Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen", durch den Wortlaut allein noch nicht hinreichend bestimmt ist. Mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden läßt sich der Inhalt der Norm jedoch feststellen. Insbesondere finden sich im Gesetzentwurf zum Transplantationsgesetz ausführliche Hinweise zur Auslegung des Begriffs der "besonderen persönlichen Verbundenheit" (vgl. BTDrucks 13/4355 S. 20 f. sowie BTDrucks 13/8017 S. 42 zu § 7 Abs. 1). Diese setzt danach sowohl innere als auch regelmäßig äußere Merkmale, wie eine gemeinsame Wohnung oder häufige Kontakte, voraus. Auch eine systematische und teleologische Auslegung legt es nahe, daß zwischen den Personen, die sich in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen, ein Assoziationsgrad in äußerer und innerer Hinsicht bestehen muß, bei dem sich - wie etwa bei Verwandten - typischerweise die Vermutung aufstellen läßt, daß der Entschluß zur Organspende ohne äußeren Zwang und frei von finanziellen Erwägungen getroffen wurde. Die gleichwohl verbleibenden Auslegungsschwierigkeiten (vgl. dazu einerseits Seidenaht, MedR 1998, S. 253, andererseits Schroth, MedR 1999, S. 67) übersteigen nicht das rechtsstaatlich hinnehmbare Maß an Unbestimmtheit oder die Grenzen des Art. 103 Abs. 2 GG."

Link zur Verfassungsbeschwerde


Im Fall einer sogenannten Überkreuz-Nierentransplantation (Cross-Over-Spende) wertete das Landessozialgericht NRW die "besonderen persönlichen Verbundenheit" als nicht gegeben. (Entschaedigungsrecht L 10 VS 28/00 - Urteil vom 31.01.2001)

Die Lebendspenderin und die Organempfängerin lernten sich erst im Krankenhaus kennen. Längere Unterhaltungen von zwischen beiden Personen waren nicht möglich. Auch Besuche waren nicht möglich. Eine gemeinsame Lebensplanung mit innerer Bindung konnten die Richter nicht feststellen.

Einer der Kläger begründete die "persönliche Verbundenheit" folgendermaßen:

"Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die nach § 8 Abs 1 Satz 2 TPG erforderliche persönliche Verbundenheit könne sich auch daran zeigen, dass die Freundschaft auf Dauer angelegt sei und nach dem operativen Eingriff fortbestehe."

Die Richter des Landessozialgerichts lehnten diese Argumentation ab und konkretisierten den Begriff "besondere persönliche Verbundenheit":

"dd) Nach der Begründung zum Gesetzentwurf muß die "besondere persönliche Verbundenheit" sowohl durch innere als auch regelmäßigäußere Merkmale gekennzeichnet sein. Eine derartige Verbundenheit kann zwischen Partnern einer auf Dauer angelegten, d.h. nicht nur befristeten oder zufälligen häuslichen Lebensgemeinschaft, entstehen, deren Grundlage in der Regel einer gemeinsame Lebensplanung mit einer Bindung ist. Ein vergleichbares enges persönliches Verhältnis mit gemeinsamer Lebensplanung und innerer Bindung kann auch zwischen in räumlicher Trennung lebenden Personen bestehen, wenn die Bindung über einen längeren Zeitraum gewachsen ist, z. B enges Freundschaftsverhältnis mit häufigen persönlichen Kontakten über einen längeren Zeitraum (BT-Drucksache 13/4355, S. 20 f.). Persönliche Verbundenheit setzt ein Zusammengehörigkeitsgefühl voraus; Schicksalsgemeinschaft oder sonstiges Näheverhältnis reicht hiernach nicht (Schroth in MedR 1999, 68; a.A. Seidenath MedR 1998, 253). Die besondere persönliche Verbundenheit muß zudem offenkundig, d.h. für jeden ersichtlich oder erkennbar sein (Schroth in MedR 1999, 67). Die Freiwilligkeit der Spende muß aufgrund des Näheverhältnisses zwischen Spender und Empfänger vermutet werden können. Offenkundigkeit schließt aus, dass die Feststellung, ob eine solche Verbundenheit vorliegt, erst nach entsprechenden Erkundigungen und Ermittlungen getroffen werden kann. Eine derart enge Beziehung wird im Falle einer Überkreuz-Lebendspende in der Regel nicht in Betracht kommen (vgl. Nickels BT-Drucks. 14/868 S. 22; a.A. Seidenath MedR 1998, 256)."

Die Richter sahen nicht die Zielsetzung auf eine auf Dauer angelegt Freundschaft, sondern eine "eigennützige" Zielsetzung, die jeweils auf das Gelingen der Operation gerichtet war.

Die Richter: "Dies belegt auch die verneinende Antwort von Frau K auf die Frage des SG, ob sie sich auf eine Vorabspende eingelassen hätte."

"Die Ehefrau des Klägers hat die Frage des SG, ob sie sich vorstellen könne, ihre Niere zuerst der akutbedürftigen Frau B zu spenden, verneint. Bei einer Vorabspende ihrerseits könne man ja nicht wissen, ob Herr B dann einen Rückzieher mache. Demgemäss läge ein "Handeltreiben" im Sinn von Tauschhandel vor. Die Vorschriften über den Kauf (§ 433 ff BGB) wären entsprechend anzuwenden."

Siehe dazu: NRW Entschaedigungsrecht L 10 VS 28/00 - Urteil vom 31.01.2001, 4. a)

In einem Urteil vom Dezember 2003 widersprachen Richter des Bundessozialgerichts der Auffassung des Landessozialgerichts NRW.

"Nach Auffassung des Bundessozialgerichts hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen das insoweit maßgebliche Tatbestandsmerkmal des "sich in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig Nahestehens" zu eng ausgelegt."

Die Bundesrichter sehen zwar auch die Notwendigkeit, dass die "besondere persönliche Verbundenheit" "tragfähig" sein muss, allerdings ist die bis zur Operation zurückgelegte Dauer der Beziehung nach Auffassung der Richter "kein allgemein entscheidendes Kriterium".

Bei einer Überkreuzkonstellation kann aus den "eigenen Erfahrung mit der Krankheit und ihren Folgen auf einen gewissen Gleichklang der Lebensverhältnisse geschlossen werden", so die Bundesrichter. Hieraus ergibt sich "im Regelfall" ein starker "personal-emotionaler Bezug", den das TPG voraussetzt.

Die eigene Motivation zur Spende "garantiert", laut Bundesgericht, die "innerliche Akzeptanz". Die Richter fordern für die Verbindung bei einer Überkreuzspende, "dass ihr Fortbestehen über die Operation hinaus erwartet werden kann. Notwendig ist eine Beziehung, die aus Sicht der Beteiligten grundsätzlich auf eine unbefristete Dauer angelegt ist."

Die eigennützige Zielsetzung sahen die Richter nicht:

"Soweit vom LSG dabei eine eigennützige Zielsetzung - gerichtet auf das Gelingen der Operation - festgestellt worden ist, steht diese ebenso wenig, wie die Antwort der Ehefrau des Klägers, dass sie sich nicht auf eine Vorabspende an Frau B. eingelassen hätte, einer besonderen persönlichen Verbundenheit entgegen."

Das Bundessozialgericht hat die Streitsache an das LSG zurückverwiesen.

Link zum BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 10.12.2003, B 9 VS 1/01 R

© ROBERTO ROTONDO, 30.11.2004
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