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Erfahrungsberichte zur Organentnahme


Organspende: Erfahrungsberichte von Pflegekräften.

Umgang mit Hirntoten (Organspendern) während der Organentnahme (Organexplantation)

Pflegekraft A:

„Also wir behandeln die Organspender nicht anders als ande­re Patienten. Da stellt sich denn die Frage, findet Würde im OP überhaupt statt. Weil, .. äh .. die Patienten, die intubiert sind, also schlafen, nichts mitbekommen. Das ist eigentlich immer die zentrale Frage, hat der Patient Regionalanästhesie oder Vollnarkose, weil wenn der Patient Vollnarkose hat, herrscht da eine ganz andere Atmosphäre. Denn werden Ge­spräche geführt, um fachliche Dinge, um persönliche Dinge, um Diagnosen an sich und solche Sachen, die nach Möglich­keit nicht stattfinden sollten, wenn der Patient wach ist.

Und ja, der weite Begriff der, der Scham und der In­timssphäre findet im OP ja nicht statt. Alle Patienten äh.. liegen erst mal völlig unbekleidet auf dem OP-Tisch. Dann fangen an, die Chirurgen sich zu waschen und waschen den Patienten ab, denn liegt der noch mal fünf Minuten so, bis das Desinfektionsmittel eingezogen ist. Dann wird er lang­sam abgedeckt. Und so, also ...

Alle Türen haben Fenster. Damit nicht jeder, der schauen möchte, wie weit es ist oder sonst irgendein Anliegen hat, in den Saal reinkommen muß. Ein Hauptanliegen von und ist ja die Infektions, das Infektionsrisiko zu senken. Das heißt, möglichst wenig Menschen, möglichst wenig Bewegung im OP-Saal. Und da muß eben nicht jeder die Tür aufmachen und gucken, wieweit sind die, oder so. Die können alle durch die Scheibe gucken. Das heißt der Patient liegt aber da, völlig entblößt, womöglich noch in, in Steinschnittlage oder gynäkologischer Lagerung, ist ja so das Gleiche. Und..äh ja, und es gucken mehrere Leute durch die Fenster und so, also. Würde im OP ist insgesamt `ne ganz fragwür­dige Sache. Aber wir behandeln Organspender nicht anders als andere Patienten. Ist absolut gleich.

Auch der Umgang danach, also nach der Entnahme? Oder auch ja von Ärzteteams, von denen, die da, ja mitarbeiten. Das ist ja schon `ne Zusammenarbeit, ist ja schon `ne Teamarbeit, die man da macht. Würdest du sagen, das ist, entspricht `ner anderen OP?

Ja, da würd ich keinen Unterschied sehen. Es ist von der Person des Operateurs abhängig. Also, viele Operateure sind bei allen ihren Eingriffen sehr .. sehr.. ja.. robust. Äh, ja .. handwerklich, ich weiß nicht, wie ich es jetzt .. angen (lacht) definieren soll. Äh und es gibt eben auch andere Operateure, daß ist die ganze Bandbreite und die können aus ihrer Art nicht heraus. Die sind bei allen Patienten gleich. Also, da gibt es aus meiner Sicht keinen großen Un­terschied...“*

Pflegekraft B:

„Meistens wird man ja also.. Ich hab`da schon .. na, sagen wir mal perverse Sachen erlebt, daß da irgendwie Radio an ist nebenbei und da zufällig irgendwie so`n .. Titel kommt, wo man denkt, mein Gott .. ne.

Also, das habe ich auch schon erlebt. Ich weiß nicht mehr welcher Titel das war, aber das war abartig. So gegensätzlich, daß man bei so einer Sache so ein Lied hören konnte, irgendwie. Ich weiß nicht mehr worum es ging. War irgendwie `nen deutscher Titel, keine Ahnung.....

Aber im dem Moment, das denkt man immer erst hinterher.“*

Pflegekraft C:

„Es natürlich immer unterschiedlich, auch so weil.., `ne normale OP ist ja auch nicht immer gerade würdig. Na, da geht's ja auch oft recht, na ich sagt mal .. saumäßig hin und wieder zu und ... Ich würde sagen, wie im­mer, also es ist irgendwie, was .. also es kann mal recht or­dentlich sein und es, es kann mal irgendwie total furchtbar sein, das du denkst, du willst jetzt nach Haus` gehen ir­gendwie und das alles vergessen....

Also, schlimm ist es dann, ab dem Zeitpunkt, ab dem ehm ..., ja, kritisch wird's dann mal, wenn die Anästhesie verschwindet und .. eh.., al­so die ganzen Or­gane jetzt irgendwie heraußen sind, ver­sorgt sind und. Die sind jetzt vielleicht einmal beschäftigt ir­gendwie Lymphkno­ten, Dinge, die nicht mehr unbe­dingt, also, ja sag mal Lymphknoten zu entfernen und dann so, so wenn's zum Zunähen geht und ... und wenn schon Leute eben be­schäftigt sind, jetzt mit dem Einpacken und irgendwo an­ders, im sterilen Bereich noch sind. Ja und du hast jetzt mal irgendwie die Leiche da liegen und... also schlimm wird's dann, wenn ... das ist noch nicht schlimm irgendwie, aber es ist die Situation, wo es, jetzt gefährlich wird vielleicht und wo...

Schlimm wird's dann, wenn, wenn du eben mitkriegst, daß es jetzt eine Leiche ist, einfach die weggebracht.. werden muß , zugenäht werden muß und sich da jemand jetzt nicht mehr viel Mühe gibt und ... Also dann wird's schlimm , wenn man, wenn das so abdriftet mal....

Es ist nicht immer, es kann auch wirklich recht ästhe­tisch ablaufen und der näht da wirklich noch, jetzt recht an­ständig die Leiche zu und .. hm, hm und fragt vielleicht, ob er noch helfen soll und das ist OK normal. Also, das..

Schlimm wird's dann, wenn, wenn du direkt mitkriegst, daß es eigentlich nur um die Organe wieder mal gegangen ist und nicht .... Und jetzt der Spender, ja .. Müll ist.“*

* Quelle: Interviewaufnahmen, die Roberto Rotondo mit Pflegekräften für seine Diplomarbereit "Belastung und Bewältigung von Pflegekräften in der Transplantationsmedizin." im Studiengang Psychologie des Fachbereichs Psychologie der Universität Hamburg führte. Klassifikation: 428 Kri­sen, Konflikte, Reaktionen und 890 Spezielle Probleme der angewandten Psychologie. Hamburg, den 28. Juni 1996

Georg Feldmann, Pflegekraft

Georg Feldmann überkam der Ekel, als Gelenke eines Spenders explantiert wurden, "weil da einfach alles aufgeschnitten und ausgenommen wird. [...] Wenn dann die ganzen anderen Teile noch mit herauskommen, dann ist das nur noch eine Hauthülle. Manchmal habe ich mich gefragt: 'Was ist der Unterschied zwischen mir und dem Huhn auf der Schlachtbank' - um es einmal bildlich auszudrücken. [...] Auch die anderen Sachen, also wenn sie mit Hammer und Meißel an einen Toten herangehen und handwerklich tätig sind, das hat für mich noch eine andere Qualität."

In: Psychoanalyse. Texte zur Sozialforschung. Hrsg. Oliver Decker & Ada Borkenhagen. 4. Jg., Heft 6, August 2000, S. 136.

Operationsschwester Margot Worm

Operationsschwester Margot Worm: "Mit dem Dermatologen wird die ganze Haut sorgfältig abgezogen. Und wenn sie vorne weg ist, wird er umgedreht, und dann wird die Haut von hinten abgezogen. [...] Das ist vom Anblick her sehr unangenehm."

In: Psychoanalyse. Texte zur Sozialforschung. Hrsg. Oliver Decker & Ada Borkenhagen. 4. Jg., Heft 6, August 2000, S. 136f.

Schwestern der österreichischen Klinik von Johanna Weinzierl verweigerten ihre Mitarbeit an der Explantation eines dreijährigen Kindes: "Wir haben das Kind auf den Operationstisch gelegt, es war drei Jahre alt. und dieses Kind hat beim Auflegen auf den Tisch die Arme bewegt. Das haben alle gesehen - das Hilfspersonal und die OP-Schwestern. Dann kam eine ziemliche Hektik auf, und da haben wir gesagt: 'Das machen wir jetzt nicht.' Wir haben dieses Kind gegen den Willen der Ärzte auf die Intensivstation wieder zurückgebracht. [...] Das Kind ist dann drei Tage später explantiert worden."

In: Psychoanalyse. Texte zur Sozialforschung. Hrsg. Oliver Decker & Ada Borkenhagen. 4. Jg., Heft 6, August 2000, S. 137f.


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update: 10.01.2004    by: Roberto Rotondo