Veröffentlichung zur Organspende und Transplantation
Körperteile im Angebot
Prager Geschäftemacher nutzten E-Mail-Adressen, um
an Patienten in Deutschland illegal Organe zu vermitteln
Dezember 2000
Roberto Rotondo (Hamburg), Psychologe und Krankenpfleger
Prager Organhändler der Firma »Transpla-Cent« haben DialysepatientInnen in
Deutschland angeschrieben, um ihnen eine »Fremd-Lebendspende« und
»seriöse Empfänger/Spender-Kontaktvermittlung« anzubieten. Die Organhändler
versprechen in ihrem Anschreiben »Soforthilfe!«. Voraussetzung: Die potenziellen EmpfängerInnen müssen bereit sein, sich »über moralische und ethische Grenzen« hinwegzusetzen.
Die Firma Transpla-Cent wirbt damit, man biete unter »Umgehung nationaler Transplantationsgesetze
[...] die Möglichkeit, den dauernden Organmangel für Nierentransplantationen zu beheben«. Auch ein deutscher Arzt, Transpla-Cent-Mediziner Jürgen Meyer, ist beteiligt. Hauptfinanzier der tschechischen Firma soll
nach Darstellung der Nachrichtenagentur dpa ein 37-jähriger Deutscher mit Wohnsitz in
Schwäbisch Gmünd sein. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) hatte »Briefe von
Dialysepatienten, Patientenvereinen und Dialysezentren« erhalten, die von Transpla-Cent
stammten und an das Bundeskriminalamt (BKA) weiter geleitet. Das BKA informierte die zuständigen
Behörden in Prag, um die Anbahnung des illegalen Organhandels zu unterbinden.
Adressen Transplantierwilliger sind für Organhändler so interessant, dass sie sich nicht
scheuen, finanzielle Anreize zu schaffen. »20.000 Mark für einen Blick in die Adressenkartei « boten Organdealer dem Berliner Dialyseverein, berichtete DIE ZEIT bereits 1993. InteressentInnen, die Körperteile illegaler Herkunft nachfragen, gibt es längst: Der Hamburger Nierenarzt Werner Tenschert erklärte der Zeitung Die Welt 1996, bei ihm würden »chronisch nierenkranke Menschen« anrufen, »um Adressen aus Indien zu erfahren«.
Um das Gesetz zu umgehen, werden offensichtlich auch die Möglichkeiten des Internets genutzt. In einem Online-Forum des Informationsanbieters www.dialyse-online.de fragte im März dieses Jahres ein Teilnehmer ganz offen per E-Mail: »Hat jemand Erfahrungen mit der kommerziellen Nierentransplantation?«
Nach unseren Informationen hat Transpla-Cent das Internetforum von www.dialyseonline.de dazu genutzt, um an E-Mail-Adressen von PatientInnen zu kommen und diese gezielt anschreiben zu können. Ein Forumsteilnehmer erklärte am 17. August, er habe von der »Gruppe transplacent@volny.cz per E-Mail ein Angebot bekommen«. Es sei ihm »Kontakt mitPersonen« angeboten worden, die bereit seien, ihm per Lebendspende eine Niere zukommen zu lassen. »Viele Leute«, so dialyse online, hätten eine solche Mail erhalten. Daraufhin habe man
prompt reagiert und »die Aktivitäten der Betreiber von Transpla-Cent dem Landeskriminalamt
(NRW) gemeldet«, teilte der Internet-Dienst mit.
Ermessensspielraum für Richter
Körperteil-Offerten privater Firmen sind nicht neu. Bereits 1990 berichtete die Frankfurter
Allgemeine Zeitung, der Vermittlungszentrale EUROTRANSPLANT seien 1990 »viele Spenderorgane
aus dem Osten angeboten« worden. 1993 sagte Martin Franke, damals Vorsitzender des Bundes der Organtransplantierten, der Frankfurter Rundschau: »Wir bekommen eine Reihe von Anfragen, darunter auch Import-Exportfirmen aus Westdeutschland, die Organe vermitteln wollen.« Im Juni 1996 meldete Die Welt, der Uniklinik Hamburg seien »Nieren aus Polen und Ex-Jugoslawien zu Preisen von 5.000
und 30.000 Mark« angeboten worden.
Das vor drei Jahren in Kraft getretene Transplantationsgesetz verbietet den Organhandel in
Deutschland. ÄrztInnen und PatientInnen, die mit Körperstücken Geschäfte machen, müssen
mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe rechnen. Die Abschreckung hängt allerdings
vom Ermessen der Justiz ab: Das Gericht kann bei »Organspendern, deren Organe
Gegenstand verbotenen Handeltreibens waren,und bei Organempfängern von einer Bestrafung
... absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern.«
»Wir umgehen das deutsche Gesetz«
»Wir umgehen hier in Prag das deutsche Gesetz«, erläuterte Transpla-Cent-Mediziner Jürgen Meyer der Nachrichtenagentur dpa im November. Regelverstöße deutscher TransplanteurInnen waren
schon früher bekannt geworden. Beispiel Prof. Jochen Hoyer: Der Leiter des Lübecker Transplantationszentrum ließ sich am 18. Juli 1996 im Münchener Klinikum Großhadern eine Niere
entnehmen, um sie einem ihm unbekannten Empfänger übertragen zu lassen. Mit diesem Vorgehen verstieß Hoyer gegen den Kodex der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Transplantationszentren.
Auch das Transplantationsgesetz, das ein Jahr später in Kraft trat, untersagt diese Form der
Lebendspende zwischen Menschen, die sich nicht nahe stehen. Hoyers »Nierenspende« wäre heute also
nicht nur ein Verstoß gegen das Standespapier, sondern schlicht illegal.
Zusätzliche Informationen zum Organhandel in Prag.