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Veröffentlichung zur Organspende und Transplantation


Patientenverfügung einmal anders.

Patientenverfügungen versprechen Autonomie für eine Situation, in der man möglicherweise ausgeliefert ist. Häufig geht es in Patientenverfügungen lediglich darum, Situationen zu beschreiben, in denen man einen Abbruch der Therapie wünscht. Die Rahmen- und Raumbedingungen für ein Leben im Heim werden jedoch selten in Patientenverfügungen thematisiert.

Helga Weitz, Altenpflegerin, hat versucht, diesem Problem vorzubeugen. Lesen Sie den Text, der in der Zeitschrift »Altenpflegerin und Altenpfleger« abgedruckt wurde.

»Betreuungswunsch einer Altenpflegerin für das Jahr 2021«

"Da ich im Jahre 2021 stolze 75 Jahre sein werde, möchte ich mich bei Ihnen vorstellen:

Lassen Sie mir bitte meine Identität: Ich heiße Helga Weitz und möchte auch so genannt werden. Nicht Oma oder Helga, auch bin ich kein Zirkusmitglied und heiße Floh.

Wahrscheinlich werde ich nicht mehr in der Lage sein, meine Wünsche zu äußern, darum möchte ich es jetzt tun.

Aus finanziellen Gründen kann ich mir kein Einzelzimmer leisten, aber meine Bitte: Bei der morgendlichen Grundpflege stellen Sie doch bitte einen Sichtschutz auf, damit ich nicht allen Blicken preisgegeben bin.

Ich wasche mich nicht so gern, dafür dusche ich aber um so lieber und dies täglich. Zum Abschluss bitte einmal ganz kalt. Das bin ich von Kind auf so gewöhnt (daher selten erkältet).

Trocknen Sie mich bitte gut ab, damit ich nicht wund werde. Solange ich noch als Altenpflegerin tätig war, habe ich immer auf kurze und saubere Fingernägel Wert gelegt. Würden Sie das bitte für mich übernehmen (auch zu Ihrem eigenen Schutz, damit ich Sie nicht kratzen kann).

Falls ich mich nicht mehr allein anziehen kann, hätte ich gern, dass die Schwester mir dabei behilflich ist. Ich möchte so nett wie möglich gekleidet sein. Röcke und Blusen sollen miteinander passen, auch die Jacke soll farblich harmonieren (bitte keinen bunten Paradiesvogel kleiden).

Strümpfe ohne Laufmaschen sehen dazu gepflegt aus.

Mein Bargeld reicht wahrscheinlich dazu, dass ich zweimal im Monat zum Friseur kann, ach ja, einmal Fußpflege bitte, denn die Hühneraugen tun so schrecklich weh.

Falls ich tagsüber im Gemeinschaftsraum sitzen muss, bitte, wäre es möglich, dass hier zeitweise etwas Ruhe herrscht?

Der Fernseher oder das Radio müssen doch nicht den ganzen Tag laufen?

Wenn man mir ein gutes Buch zum Lesen gibt, z.B. Eugen Roth, reichen Sie mir dann auch meine Brille bitte?

Sollte ich nicht mehr allein essen können, zerkleinern Sie doch bitte die großen Stücke für mich mundgerecht. Nur nicht passieren, das sieht so vorgekaut aus. Gern will ich versuchen, mit dem Löffel auch allein zu essen, damit Sie mich nicht "füttern" müssen. Der Teller müsste wohl einen höheren Rand haben, damit ich das Essen nicht über den ganzen Tisch jagen muss, Sie sind sonst verärgert mit mir und ich bekomme keine frische Tischdecke.

Wenn ich Blase und Darm nicht mehr kontrollieren kann, würden Sie mich dennoch als einen normalen Menschen behandeln? Könnten Sie versuchen, die Nase nicht zu rümpfen, wenn Sie die Bettdecke aufschlagen und es nicht so gut riecht? Nennen Sie mich bitte auch nie einen Schmutzfink, auch wenn es im Sozialhilfegesetz die erhöhte Geldzulage für Schmutzer gibt, so die Auskunft eines Beamten beim Sozialamt.

Ich würde gerne auch mal ausgeführt werden, vielleicht in die Oper? Es darf Macher auch ein Ausflug in den Frühling sein.

Sollte ich einmal senil werden, ihre Wünsche nicht verstehen können, schimpfen Sie nicht mit mir, das macht mich nur noch unruhiger und aggressiver.

Behandeln Sie mich bitte mit Ruhe und Nachsicht.

Meine Welt wird zunehmend immer kleiner, darum lassen Sie mich doch an ihrer ein klein wenig teilhaben. Erzählen Sie mir doch etwas von ihrer Familie, oder wie Ihr Urlaub war. Meine Wünsche nehmen kein Ende. Doch sind sie alle recht einfach zu erfüllen. Was ich brauche, ist ein gutes Essen, menschliche Wärme und jemand, der mich liebevoll betreut und versorgt.

Ich habe Ihnen viel zum Nachdenken gegeben, vielleicht kann ich auch das später nicht mehr und Sie müssten es für mich tun. Würden Sie das für mich übernehmen?

Für alle ihre Bemühungen möchte ich mich jetzt bei Ihnen bedanken, vielleicht kann ich auch das später nicht mehr.

Helga Weitz

(aus: Altenpflegerin und Altenpfleger 1/2.93)"

Abgedruckt in:
Dipl. Psych. Kurt Wirsing,
Psychologisches Grundwissen für Altenpflegeberufe. Ein praktisches Lehrbuch. 5., überarbeitete Auflage, Beltz 2000, S. 159.



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update: 10.01.2004    by: Roberto Rotondo