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Pressemeldungen zur Organspende


Finanzielle Anreize bei der Hirntod-Diagnose?

Pressemitteilung von: INFORMATIONSSTELLE TRANSPLANTATION und ORGANSPENDE

Pressemitteilung als PDF-Datei.

Hamburg, den 26.07.2012

„Als Folge des Organspende-Skandals ist die Höhe von Ärzte-Gehältern an der Göttinger Universitätsmedizin ab sofort nicht mehr an die Zahl der Transplantationen gekoppelt.“ Das meldete DER SPIEGEL am 24. Juli 2012. Quelle: Organspende-Skandal in Göttingen: Klinikum beschließt Aus für Leistungsprämien. Internet: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/nach-organspende-skandal-in-goettingen-keine-leistungspraemien-mehr-a-846192.html. Datum: 26.07.2012.

Die Kritik an Leistungsanreizen oder -prämien in der Transplantationsmedizin ist nicht neu. Schon 1996 berichtete Richard Fuchs und seinem Buch „Tod bei Bedarf: das Mordsgeschäft mit Organentnahmen (Ullstein 1996, Seite 38f) über eine „Rahmenvereinbarung zur Erstattung der Personal- und Sachkosten bei Nieren-Trans­plantationen“ zwischen der Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Kuratorium für Heimdialyse und Nierentransplantation (KfH). Diese Rahmenvereinbarung wurde mit der Absicht beschlossen, „die »Hemmnisse für Transplantationen und die dafür notwendigen Ex­plantationen« abzubauen, bzw. »um eine gewisse Zurückhaltung der Krankenhausärzte bei Explantatio­nen abzufangen«. Sie sieht eine Zahlung einer Sachkosten-Pauschale von 2000,- DM je Explantation (Entnahme der Niere beim Spender) für das Krankenhaus vor und »für die persönlichen Dienstleistungen (...) der an der Hirntoddiagnostik sowie der Explantation mitwirkenden Krankenhausärzte, soweit diese im Rahmen ihrer Dienstaufgaben tätig werden, einen Pauschalbetrag von 1000,- DM je Explantation.«

Die Ärztezeitung berichtete 2007 über „Diskussion um Honorare für Hirntod-Diagnostik“. Sie bezog sich auf Aussagen von Professor Gundolf Gubernatis, damals Transplantationsbeauftragter des Verbandes Leitender Krankenhausärzte Deutschlands (VLK). Er kritisierte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO): „...die DSO vergüte den zweiten Hirntoddiagnostiker, wenn er aus der Klinik des potenziellen Spenders stammt, nur, sofern der Hirntod festgestellt wird.“ Quelle: Ärztezeitung. Internet: http://www.aerztezeitung.de/medizin/fachbereiche/chirurgie/?sid=460530. Datum: 26.07.2012.

Die Sache ging vor Gericht, weil die DSO den Vorwurf bestritt. Die TAZ berichtete am 31.08.2007, dass das Landgericht Frankfurt am Main Ende Mai 2007 die einstweilige Verfügung gegen Prof. Gubernatis zwar aufhob und die Kosten des Eilverfahrens die DSO als Klägerin bezahlen muss, aber nicht bewertete, „welche der streitenden Parteien die richtige Version über die Vergütung der Hirntod-Diagnostik verbreitet.“ Quelle: Streitfall Hirntod-Diagnostik. TAZ am 31.08.2007. Internet: http://www.taz.de/1/archiv/archiv-start/?ressort=wi&dig=2007%2F08%2F31%2Fa0064&cHash=37b9dd972c. Datum: 26.07.2012.

Der VLK unterstützte Prof. Gubernatis im August 2007. Gubernatis könne „seine Aussagen lückenlos belegen“. Quelle: Hans-Fred Weiser. Der Versuch ist strafbar. In: Arzt und Krankenhaus 8/2007, S. 225. Internet (PDF-Datei): www.vlk-online.de/files/articles/2007-08/200708_260f633432.pdf. Datum: 26.07.2012.

Zweifel an der korrekten Durchführung der Hirntoddiagnostik waren also weiter angebracht.

In der „Vereinbarung über die siebente Fortschreibung der Durchführungsbestimmung zum Aufwendungsersatz nach § 8 Abs. 1 des Vertrags nach § 11 Abs. 1 TPG für das Jahr 2012“ ist aufgeführt, wie sich die Kosten heute zusammensetzen. Dort steht:

„Während die Leistung zur Feststellung des Hirntods durch einen Arzt Bestandteil der Fallpauschalen der Krankenhäuser ist, werden die Leistungen des anderen Arztes inkl. etwaiger Zusatzuntersuchungen über die DSO vergütet.

Die Vergütung der persönlichen Dienstleistungen dieser Konsiliardienste wird einzelvertraglich zwischen der DSO und den beteiligten Ärzten geregelt. Seit dem Jahr 2010 wird die Vergütung der Konsiliardienste Hirntoddiagnostik nicht mehr der Pauschale „Aufwandserstattung Spenderkrankenhäuser“ zugeordnet. Die Vergütung der Konsiliardienste Hirntoddiagnostik ist stattdessen in der Organisationspauschale enthalten.“ Link: http://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/krankenhaeuser/transplantation/koordinierung/KH_DFB_DSO-Budget_2012_7_Fortschreibung_2011_11_22.pdf. Datum: 26.07.2012.

Die DSO steht zurecht immer wieder in der Kritik. Ein paar Beispiele:

Beim Organspende-Skandal in Göttingen soll ein Arzt „Dutzende von Krankenakten manipuliert haben, um so Patienten bevorzugt zu einer Spenderleber zu verhelfen“, so die Ärztezeitung am 20.07.2012. Der betreffende Arzt soll „in den Jahren 2010 und 2011 gezielt Laborwerte gefälscht und Dialyse-Behandlungen erfunden haben, so dass Patienten kränker dargestellt wurden, als sie tatsächlich waren.“

Falls das zutrifft, wäre es möglich, dass Patienten auf die Warteliste kamen, die eine Transplantation evtl. nicht benötigten. Andere Patienten erhielten kein Organ, obwohl sie es aus medizinischen Gründen ein Organ benötigt hätten.

Fehldiagnosen bei Hirntod-Diagnose kommen vor und sind kein Einzelfall. Hier zwei Links:

Wer kontrolliert heute die Vergütung der Hirntod-Diagnostik, so dass ausgeschlossen wird, dass aus finanziellen Anreizen falsche Hirntod-Diagnosen erstellt werden?

Die DSO ist aus meiner Sicht nicht geeignet, diese Aufgabe zu übernehmen.

Dipl.-Psych. Roberto Rotondo
Informationsstelle
Transplantation und Organspende
Rappstraße 9, 20146 Hamburg
Mail: info@transplantation-information.de
www.transplantation-Information.de

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update: 26.07.2012    by: Webmaster