Erfahrungsberichte zur Organentnahme
Erfahrungsberichte von Transplantationsmedizinern und einer Psychologin
Prof. Raimund Margreiter zur Organspende
Leiter der Klinischen Abteilung für Transplantantionschirurgie an der Universitätsklinik für Chirurgie in Innsbruck
Prof. Raimund Margreiter: "Als wir mit der Transplantation der
lebenswichtigen Organe begonnen haben, da hat mich das schon
sehr beeindruckt, einen völlig leeren Brustkorb oder
Bauchraum vorzufinden. [...]
Ich gebe durchaus zu, dass
es am Anfang ein etwas beklemmender Anblick war. zum Beispiel im
Rahmen einer Herz-Lungen-Transplantation den völlig
leeren Brustkorb zu sehen oder aber im Rahmen einer
Multiviszeraltransplantation (Entnahme mehrerer Organe aus dem
Bauchraum, d. Verf.) nach Entfernung der eigenen Organe mit dem
völlig leeren Bauchraum konfrontiert zu sein. Einmal haben wir
nicht nur die Leber, den Magen, Zwölffingerdarm,
Bauchspeicheldrüse und den Darm transplantiert. sondern mussten
auch noch die Hohlvene sowie die beiden Beckenvenen und auch die
rechte Beckenarterie ersetzen, wie auch einen Teil des Harnleiters
bei einer einnierigen Patientin resezieren (ausschneiden, d.
Verf.). In diesem Fall blieb eigentlich nicht mehr sehr viel im
patienteneigenen Bauch übrig, [...] das ist irgendwo unheimlich,
aber es funktioniert."
In:
Psychoanalyse. Texte zur Sozialforschung. Hrsg. Oliver Decker &
Ada Borkenhagen. 4. Jg., Heft 6, August 2000, S. 135.
Beispielsweise
lehnt Prof. Raimund Margreiter die Entnahme von Knochen ab: "Wenn
es darum geht, lange Röhrenknochen zu entnehmen, die dann
nicht ersetzt werden, so dass ein Bein herunterfällt wie beim
Hampelmann, das wäre etwas, das mich persönlich stören
würde, und es würde auch nicht unserem Gesetzestext
entsprechen. Dagegen wehre ich mich. Deswegen habe ich mich auch nie
dazu entschließen können, ganze Gelenke zu entfernen."
In:
Psychoanalyse. Texte zur Sozialforschung. Hrsg. Oliver Decker &
Ada Borkenhagen. 4. Jg., Heft 6, August 2000, S. 135f.
Auch gegen eine vollständige Entnahme der Haut sträubt sich
Prof. Raimund Margreiter: "Gegen die Hautentnahme wehre ich mich,
außer sie wird in Ausnahmefällen nur an rückwärtigen
Körperpartien entnommen."
In:
Psychoanalyse. Texte zur Sozialforschung. Hrsg. Oliver Decker &
Ada Borkenhagen. 4. Jg., Heft 6, August 2000, S. 136.
Prof. Christoph E. Broelsch
"Ein weiteres Eingeständnis ist die oft unbeabsichtigte, aber doch vorkommende Nachlässigkeit im Umgang mit dem verstorbenen und explantierten Körper des Spenders.
Ich verstehe das Entsetzen eines Fachassistenten im OP, der plötzlich nach hektischen Stunden, in denen alles nicht schnell genug gehen kann, mit der erkalteten,
blutleeren Leiche allein im Saal steht und wieder alles herrichten soll. Hier sind wir, die Explantationsteams, die Koordinato-ren und unsere Begleiter gemeint,
die es an Pietät gegenüber dem Verstorbenen, der Anerkennung seiner selbstlosen Organspende und der Beachtung der Gefühle der Mitarbeiter fehlen lassen. Das darf nicht sein,
jedoch geschieht es gelegentlich, und ich bedauere dies sehr!"
In: Die Schwester/Der Pfleger 34 Jahrg. 7/95, S. 661f.
Sibylle Storkebaum, Dipl. Psychologin
Sie arbeitet mit Transplantierten und schaute sich eine Organentnahme an.
Das Chirurgenteam nimmt die Leber heraus. Ich will gehen. Ich kann nicht mehr, will nicht
mehr erleben, wie alle Körperhöhlen so leer aussehen werden
wie der Brustkorb, will nicht mehr Zeuge des Zunähens, Waschens,
Herrichtens für die Beerdigung sein. Ich sehne mich nach warmen
Armen, die mich liebevoll bergen, nach einer Seele, die meinen Kummer
mittragen wird [...]."
Storkebaum, S. Jetzt ist`s ein Stück von mir! Alles über Organtransplantionen. Kösel 1997, S. 46.
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