Unter dem Titel »Ethik in der Organtransplantation«
veranstaltet die Deutsche Akademie für Transplantationsmedizin vom 10.-14.
Dezember einen internationalen Kongress in München. Mediziner, Bioethiker und
Juristen werden dort beraten, wie gesunde Menschen durch finanzielle Anreize
gezielt dazu bewegt werden können, Nieren und Leberstücke zu spenden. »Diese
Konferenz droht zum Signal für die Kommerzialisierung der Organspende zu
werden«, befürchten BioSkop, medico international und der Arbeitskreis Medizin und Gewissen in der IPPNW (Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg). »Die Auswahl der geladenen Referenten und Referentinnen legt nahe, dass hier
öffentlich Stimmung zur Lockerung des Transplantationsgesetzes gemacht und die
Politik gezielt unter Druck gesetzt werden soll«, meint Roberto Rotondo, Psychologe und
BioSkop-Mitarbeiter. Die Steilvorlage dazu hat der Münchner Jurist Thomas Gutmann,
Mitorganisator des Kongresses, gemeinsam mit Prof. Ulrich Schroth
bereits in diesem Jahr geliefert. In einem Auftragsgutachten für die »Deutsche Stiftung
Lebendspende« fordern die beiden Rechtswissenschaftler, dass die vom
Transplantationsgesetz verlangte enge persönliche Verbundenheit zwischen Spender
und Empfänger gestrichen werden solle.
»Ob gewollt oder nicht: Eine solche Reform würde dem Organhandel Tür und Tor öffnen«, warnt Rotondo.Fast alle geladenen Referenten haben schon
finanzielle Anreize für Organspenden gefordert. So schlägt der Essener
Transplanteur Prof.
Christoph Broelsch Steuerfreibeträge für ausgefüllte Spenderausweise, einen
Spenderbonus bei der Krankenversicherung und eine zusätzliche Lebensversicherung
vor, die von der Versicherung des Empfängers zu finanzieren wäre. Der
Wirtschaftswissenschaftler Prof. Gary S. Becker
bringt bereits konkrete Preise ins Gespräch: 10.000 Dollar für eine Niere, das Doppelte für ein Stück Leber - zu zahlen von der Versicherung des Empfängers oder vom Staat.Broelsch ist auch im Arbeitskreis Lebendspende der
Bundesärztekammer aktiv. »Die Bundesärztekammer muss sich von
Transplanteuren wie Broelsch öffentlich und unmissverständlich
distanzieren«, fordert der Mediziner Stephan Kolb, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Ärzte und Gewissen (IPPNW).
»Die Spende eines Organs oder von Gewebe darf nur auf Grund freier,
informierter und persönlicher Einwilligung und aus dem Motiv der
Hilfsbereitschaft erfolgen. So sehen es auch die ärztlichen Standesrichtlinien
ausdrücklich vor.«
Noch weiter als Gutmann, Broelsch und Becker geht die
ebenfalls geladene britische Philosophin Janet Radcliffe-Richards.
Im Interview mit der kanadischen Zeitung Montreal Mirror propagiert sie bereits 1998 den Handel mit den eigenen Organen als Geschäftsidee für die, die keine Chance auf ein anderes Einkommen haben: »Und wenn Du so arm bist, dass Du Dein Auge verkaufen willst, tun wir Dir dann einen Gefallen, wenn dies verweigert wird und Du statt dessen an Hunger stirbst?«
»Eine solche Logik ist einfach nur
zynisch«, kritisiert Thomas Seibert, Mitarbeiter der entwicklungspolitischen
Hilfsorganisation medico international : »Hier werden
marginalisierte Menschen und besonders die Menschen in Osteuropa und den Staaten
des Südens zum Ersatzteillager der jeweils Bessergestellten gemacht.«
Die öffentliche Diskussion über regulierte
Organmärkte und finanzielle Anreize der Organspende nutzt auch die berechtigten
Existenzängste von immer mehr Menschen. »In Zeiten des niedergehenden
Sozialstaates«, warnt Roberto Rotondo von BioSkop, »könnten
Versicherungspakete und aufgebesserte Renten als Organspende-Entschädigung
vielen Menschen ebenso attraktiv erscheinen wie der direkte Tausch von
Körperteilen gegen Geld.«***
Für Fragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung:
Roberto Rotondo (BioSkop), Telefon (040) 44809922
Stephan Kolb (IPPNW), stephkolb@aol.com
Thomas Seibert (medico international), Telefon (069) 94438-36
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Weitere Informationen zu Kongress und Thema finden Sie hier.
Erklärung: Seit Juni 2003 bin ich nicht mehr Mitglied des Vereins BioSkop e.V. Bis dahin habe ich mich für BioSkop in Pressemitteilungen zu Wort gemeldet. Für Informationen des Vereins nach diesem Zeitpunkt bin ich nicht verantwortlich.